Die Mars-Stadt
verschlüsselt. Kein Wunder, dass sie so kurz gewesen
war: Sie hatte bestimmt Tage dafür gebraucht.
Sie bereitete mir ein Frühstück aus Müsli,
Yoghurt und bitterem arabischem Kaffee. Wir plauderten über
den Flug und über die Veränderungen in unser beider
Leben seit unserer letzten Begegnung vor mehreren Jahren in einer
Bar am Alexandra Port. Sie hatte noch immer Kontakt mit ihrem
Ex-Mann, dem feschen Offizier, den sie einmal umgedreht hatte,
und ich hatte den Eindruck, dass sich zwischen ihnen noch immer
etwas abspielte, allerdings hielt er sich seit Monaten in
Alma-Ata auf, wo er angeblich mit der KPF verhandelte. Sie
deutete an, dass man ihn aus dem Weg haben wollte.
»Dann ist das hier also immer noch ein trotzkistischer
Staat?«, fragte ich.
Myra setzte mit zitternder Hand die Tasse ab.
»Aber ja«, antwortete sie. »Hier ist
es… wie in Russland, als Lew Dawidowitsch das Sagen
hatte.«
So schlimm? Ich hob die Brauen; sie nickte.
»Und du gehörst nicht mehr der Regierung
an?«
»Schon seit einer ganzen Weile nicht mehr.« Sie
lächelte schmerzlich.
»Du hast bestimmt noch eine Menge zu sagen«,
meinte ich. »Hört man noch auf dich?« Ich legte
den Kopf schief.
»Gewiss«, antwortete sie. »Ich kann nicht
klagen.«
Sie sah auf ihre Armbanduhr. »Du kannst jetzt
duschen.«
Die Dusche befand sich in einer Nische neben ihrem
Schlafzimmer. Ich legte meine Sachen auf das Fußende ihres
Betts – ich wollte nicht, dass sie zerknittert wurden. Als
ich glättend über das Jackett strich, berührte ich
den harten Rand der Pistole, ein flaches Plastikteil, das nicht
länger oder dicker war als meine Hand. Nach kurzem
Überlegen holte ich sie hervor und legte sie auf die obere
Ecke der Duschkabine. Dann stellte ich die Dusche an und trat
unter den Wasserstrahl, froh darüber, dass es sich zumindest
hier um eine Spezialanfertigung handelte. Ich hatte mich gerade
zum ersten Mal eingeseift und abgeduscht, als Myra zu mir
hereinkam.
»Der Trick ist alt, aber er funktioniert«,
flüsterte sie mir ins Ohr und rieb mir den Rücken ab.
»Hintergrundlärm bleibt Hintergrundlärm, ganz
gleich, welche Geräte sie einsetzen.«
»Glaubst du wirklich, man hat deine Wohnung
verwanzt?«
Sie lachte. »Ich an ihrer Stelle hätte das Gleiche
getan.«
»Von wem redest du? Was geht hier vor?«
Sie nahm einen kleinen Einmalrasierer und eine Spraydose zur
Hand. Sie schäumte mir das Gesicht mit nach Tannen duftendem
Rasierschaum ein und begann mich zu rasieren, wodurch sie sich
meiner ungeteilten Aufmerksamkeit versicherte. Und das war gut
so, denn ich musste ihr beinahe von den Lippen ablesen, um ihr
Geflüster in dem stetigen heißen Regen zu verstehen,
und für Unterbrechungen oder Wiederholungen reichte die Zeit
nicht aus.
»Du weißt, dass etwas vorgeht«, sagte sie.
»Ich habe dir die Nachricht schon vor Wochen hinterlassen,
denn ich dachte mir, wenn jemand Nachforschungen anstellt, dann
du.« Sie grinste. »Und ich habe Recht behalten. Also,
es geht um Folgendes: Die Tiefentechnologie -Nanotechnik,
Gentechnik, AI und so weiter – unterlag unter den Yanks
Beschränkungen und steht in den meisten Ländern wegen
den verdammten Grünen und den religiösen Eiferern und
dem ganzen Mist noch immer unter Beschuss. Zwei Dinge sind
passiert. Erstens haben Länder wie das unsere
Wissenschaftsflüchtlinge aufgenommen und sie ihre Arbeit
unter dem Deckmantel anderer Projekte fortführen lassen.
Zweitens haben die US/UN und vor allem die Weltraumverteidigung
ihre Arbeit fortgesetzt. Der Bannstrahl galt nur für alle
anderen, nicht für sie. Jetzt kommt eins zum anderen: Unsere
Wissenschaftler arbeiten mit den anderen zusammen, und du kannst
dir verdammt sicher sein, dass die kooperieren – das ist
für sie die einzige Möglichkeit, ihre Schulden
abzuarbeiten. Das Gleiche gilt für die zahllosen zur
Zwangsarbeit verpflichteten Kriegsgefangenen. Sie schaffen Zeug
ins All, als wäre hier morgen alles zu Ende, und wenn das so
weitergeht, wird es auch so kommen. Ich glaube, sie steuern auf
einen Umsturz zu.«
»In Kasachstan?«
»In der ganzen Welt, Dummkopf!«
Ich kam mir wirklich dumm vor. Oder aber sie war
verrückt.
»Aber wer, zum Teufel, sollte dahinterstecken? Und wie
sollte man das anstellen?«
»Deine Weltraumbewegung. Okay, vielleicht nicht deine,
aber – jedenfalls hatten sie Leute in den offiziellen
Weltraumprogrammen sitzen, vor allem in der
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