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Die Mars-Stadt

Die Mars-Stadt

Titel: Die Mars-Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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Orientierungsinfo dargestellt worden war. Es schien so,
als ginge es auf der Erde genau so zu, wie die meisten Menschen
meiner Zeit sich das Ende des einundzwanzigsten Jahrhunderts
vorgestellt hatten, nämlich ein wenig
überbevölkert, ein wenig dekadent; und als fingen wir
hier an dieser Weltraumbaustelle, deren Arbeiter aus einem
unersichtlichen, aber allgemein akzeptierten Grund in Roboter
eingesperrt waren, die Sendungen mit ein paar Lichtstunden
Verzögerung auf.
    Kurz gesagt, es schien so, als entsprächen die
Informationen aus Reids Ansprache und dem Rechnerinfo nicht der
Wahrheit. Ich wagte nicht, mir irgendwelche Hoffnungen zu machen,
konnte mir aber vorstellen, dass es einige Leute taten. Ich
fragte mich, welche Absichten unsere Herren und Meister hinter
dieser einlullendende Propaganda verbergen mochten.
    Angenommen, die Sendungen waren echt und nicht speziell
für mich gemacht… Abermals musste ich vor der
Unmöglichkeit kapitulieren, zu entscheiden, was real war und
was nicht. Ich hatte einen Tiefpunkt erreicht und war ein Junkie
geworden. Noch sechs Tage, bis ich wieder in den Makro
könnte, vier Tage seit dem letzten Mal. Die Wirkung meines
letzten Besuchs ließ allmählich nach, und bis zum
nächsten war es noch unerträglich lange hin. Irgendwie
fehlten mir die Menschen, mit denen ich zu Lebzeiten zusammen
gewesen war, doch dies wurde überdeckt von der viel
schmerzhafteren Sehnsucht nach einer Wiederbegegnung mit meinen
übermenschlichen Freunden. Ob sie sich überhaupt noch
an mich erinnerten? Hatte ihre Macht weiter zugenommen?
    »Du machst dir Sorgen, Jon«, flüsterte Meg
mir ins Ohr und schlang die Arme um mich. »Komm ins
Bett.«
    »Nein!«, fauchte ich. »Hau ab, du
Fickpuppe!«
    Ihre Augen füllten sich mit überzeugend echt
wirkenden Tränen.
    »Jon, ich weiß, ich bin eine Fickpuppe, aber ich
habe auch Gefühle. Du tust mir weh.«
    »Du bist bloß ein Programm.«
    Sie blinzelte, rang sich ein Lächeln ab und blickte
beschwichtigend zu mir auf. »Das bist du auch, Jon, und du
hast Gefühle.«
    Ihre Bemerkung hatte mich getroffen. Weniger deren Inhalt,
sondern vielmehr der Umstand, dass sie sie überhaupt gemacht
hatte.
    »Du hast mal gemeint«, dachte ich laut, »du
könntest sein, was immer ich von dir verlange.«
    Ihre Miene hellte sich auf. »Ja! Das kann
ich!«
    »Könntest du intelligenter sein als ich?«
    Sie überlegte einen Moment. »Wie viel
intelligenter?«
    »Doppelt so intelligent?« Ich schwenkte den
Arm.
    Sie sah mich merkwürdig an und erhob sich. Sie blickte
zum Fernseher, verzog das Gesicht, trat ans Fenster und schaute
eine Weile hinaus. Dann wandte sie sich um, die eine Hand in die
Hüfte gestemmt, die andere am Fenster.
    »Tja, Jon Wilde«, sagte sie. »Da hast du ja
ein schönes Schlamassel angerichtet.«
    Ihre Ungeduld erinnerte mich auf einmal schmerzhaft an Annette
und Myra. Ich erkannte trotz aller Unterschiede in Erscheinung
und Persönlichkeit gewisse physiognomische Merkmale wieder
und begriff, was dies bedeutete: Sie mit ihrer
größeren Intelligenz wartete darauf, dass ich ihrem
Gedankengang folgte.
    »Steh nicht bloß so rum«, sagte Meg, als sie
an mir vorbeiging. »Im Nebenzimmer ist ein Computericon.
Schauen wir mal, wie weit wir kommen.«
    »Zunächst einmal«, sagte sie, als wir vor dem
Computermonitor standen, »musst du dir klar machen, dass
dies alles zwar nicht körperlich vorhanden, aber dennoch
real ist. Es ist eine Simulation. Du und ich und dieser ganze
Innenraum existieren physikalisch betrachtet als elektrische
Ladungen im Rechner des Robots, der uns beherbergt.«
    »Das habe ich mir auch schon gedacht«, sagte
ich.
    »Okay, aber du hast mir nie davon erzählt.«
Sie grinste. »Wenngleich ich bezweifle, dass ich es vor
fünf Minuten überhaupt verstanden hätte.
Jedenfalls soll das alles verhindern, dass du
ausrastest.«
    Daraufhin steckte sie den Arm bis zum Ellbogen in den
Bildschirm, der mir immer massiv vorgekommen war, und tastete
darin herum. »Ah!«, sagte sie. »Da haben wir ja
die Systemdateien. Ha! Meine sind nur dann zugänglich, wenn
du mich aufwertest, so wie gerade eben. Deine aber kann ich von
hier aus verändern. Bloß einen
Moment…«
    Sie steckte die andere Hand durch die Monitorscheibe und schob
etwas zur Seite, bevor ich eingreifen konnte.
    »Wie fühlt sich das an?«, fragte sie.
    Ich musterte die wunderschöne Frau in dem kurzen
schwarzen Nachthemd.

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