Die Mars-Stadt
Er grinste
merkwürdig. »Deinen Antrag habe ich noch nicht
gesehen.«
Ich blickte Meg an und lachte. »Hab ehrlich gesagt noch
gar nicht dran gedacht. Ich bin mit meinem Leben
zufrieden.« Sie erwiderte mein Lächeln. Ihre
Schönheit war mit ihrer Intelligenz gewachsen, und das galt
auch für ihren Geschmack. Sie trug ein schräg
geschnittenes purpurrotes Kleid, das sie von einer der
Modegeschichte gewidmeten Netsite heruntergeladen hatte.
Reid strich sich übers Kinn. »Hm«, machte er.
Er zündete sich eine Zigarette an. »Du solltest nicht
zu lange damit warten. Unter den Robots macht sich eine
bedenkliche Haltung breit. Dafür sind vor allem die
heruntergeladenen Menschen verantwortlich. Sie neigen dazu, eine
scharfe Trennlinie zwischen Menschen und Maschinen zu ziehen.
Viele von ihnen leugnen generell, dass es so etwas wie
Maschinenbewusstsein überhaupt gibt.«
Eine Fliege – wo kam die bloß her? – summte
an ihm vorbei. Gemäß der VR-Konsistenzregeln nahm eine
Simulation ihre Stelle ein, als sie scheinbar auf die Veranda
geflogen kam.
»Was?«, sagte ich. »Aber sie haben
das Maschinenbewusstsein doch am eigenen Leib
erfahren!«
Wie früher spielte Reid auch diesmal wieder mit Lust den
Advocatus Diaboli. »Nein, sie erinnern sich
lediglich daran. Was nicht beweist, dass sie damals
tatsächlich die Erfahrung gemacht haben. Es könnte sich
ja auch um ein Artefakt der Konsistenzregeln gehandelt haben. So
argumentieren sie jedenfalls. Die Vulgärversion besagt, dass
ihr zwar Menschen wart, dass den künstlichen Intelligenzen
aber ein geheimnisvolles Ingredienz abginge, das jeder
gottverdammte Kleriker oder Scholastiker mit Freuden als
›Seele‹ bezeichnen würde.«
»Mein Gott«, sagte ich. »Das ist
widerlich.«
»Was ist mit den Sukkubi?«, fragte Meg.
»Das sind die Schlimmsten«, antwortete Reid.
Meg warf den Kopf zurück und lachte. »Du musst es
ja wissen! Die Neureichen sind die übelsten Snobs
überhaupt!«
Ich musterte beide mit finsterer Miene. »Ich wüsste
gern«, sagte ich, »wie sie sich zu ihren eigenen
Kopien in den Robots verhalten.«
Reid sah mich merkwürdig an. »Du hast es immer noch
nicht kapiert«, meinte er. »Niemand lässt eine
Kopie von sich im Robot zurück. Darauf hat bislang noch
jeder bestanden. Sie glauben, sie stünden im Begriff, wieder
ein normales Leben aufzunehmen, und wenn die Kopie
zurückbliebe, sei nicht ausgeschlossen, dass sie irgendwann
aufwachen und feststellen, dass sie immer noch im Robot sind. In
gewisser Weise ist das irrational – wieso haben sie keine
Angst, die Kopie zu sein, die zerstört wird?«
»Weil sie nicht mit ihr mitempfinden«, meinte Meg.
Sie hob eine Braue. »Könnte doch sein,
oder?«
»Sicher«, sagte Reid hastig. »Das geht
parallel. Wie sie sagen, fühlt man überhaupt
nichts.«
»Aha«, sagte Meg. »Das ist die Wurzel der
Vorstellungen, über die du da redest. Denn wenn die Menschen
ihre Maschinenpersönlichkeit als… ihnen
zugehörig betrachtet hätten, würden sie ihretwegen
auch Schuldgefühle empfinden. Aber das tun sie
nicht!«
»Ein kluges Argument«, räumte Reid ein.
»Aber da steckt noch mehr dahinter… Mist, bisweilen
empfinde ich genauso.« Er legte den Kopf schief und
blinzelte, als wollte er ein Trugbild verscheuchen. »Ich
glaube… deswegen habe ich mich auch nicht hochladen lassen
und war nie in einem Makro. Ich kannte eine Menge Leute, die das
machten und mir ständig erzählten, wie toll das
wäre, aber den Verdacht, sie wären alle Flatliner,
konnte ich nie zerstreuen.« Sein Tonfall war
ungewöhnlich unsicher. »Als hätten sie ebenso
viel Platz für Gefühle wie eine Wettersimulation
für Regen.«
»Da bist du wohl den alten Anti-AI-Argumenten auf den
Leim gegangen«, sagte ich. Mir kam das Ganze so
blödsinnig wie der Solipsismus vor.
»Schon möglich«, räumte Reid widerwillig
ein. »Vielleicht liegt es aber auch bloß daran, dass
ich länger als jeder andere Lebende Umgang mit Computern
habe.«
»Dann hältst du Jon also nicht für
menschlich?«, fragte Meg. »Und mich auch
nicht?«
»Ha!«, sagte Reid. Er sprang auf und drückte
seine Zigarette aus. »Natürlich halte ich euch
für menschlich. Ich würde euch bloß mal
gerne… im richtigen Leben begegnen.«
Er stieg in den Helikopter, wandte sich um und winkte.
»Bis bald.«
»Ja, bis bald«, sagte ich.
In dieser Nacht weinte Meg an meiner Schulter.
»Was hast
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