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Die Mars-Stadt

Die Mars-Stadt

Titel: Die Mars-Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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in den Steinkanal fließen. Doch dabei kam es weniger
auf das Wasser an, als vielmehr auf das, was sich herausfiltern
ließ.
    Beginnend an den Siebplatten – einem Dammsystem –
am Fuße der Berge sollten auf zehn Kilometern Länge in
der Uferbefestigung verlegte Röhren, Pumpen und Maschinen
sämtliche Mineralien und organischen Moleküle aus dem
Kometeneis herausfiltern. Diese sollten anschließend an die
so genannten ›Pflanzen‹ verfüttert werden
– mit intelligenter Materie ausgestattete solarbetriebene
chemische Verarbeitungseinheiten, welche das nützliche
Material für die spätere Ernte anreicherten. (Deshalb
bezeichneten wir sie als ›Pflanzen‹.)
    Ehe die ersten Baumaschinen aus den automatischen Fabriken am
Stadtrand rollten, war ich monatelang mit der Planung und
Erkundung beschäftigt. Als ich damit fertig war, bekam ich
Besuch von Reid.
    Meg und ich lebten in einem virtuellen Tal. Unser Haus lag am
Hang, oberhalb eines kleinen Dorfes mit einer Kneipe. Das Dorf
und dessen Bewohner waren offen gesagt bloße Dekoration,
wenngleich man den Wirt dazu bringen konnte, sich zu den
Nachrichten des Tages zu äußern. (Ich machte mir des
Öfteren einen Spaß daraus, den Schwierigkeitsgrad
meiner Frage anhand der Tiefe seiner Sorgenfalten
einzuschätzen, während irgendwelche Datenbanken
durchforstet wurden.)
    Als ich die Kneipe betrat, war ich allein. Der Wirt
lächelte, die üblichen Gäste nickten mir zu, Reid
bestellte Bier. Reid war natürlich als einziger mittels
Telepräsenz anwesend, versicherte mir aber, er trinke in der
Realität das gleiche Bier, das er zu trinken vorgab und das
ich mir zu trinken vorstellte.
    »Wilde«, sagte er, nachdem wir jeder ein paar
Gläser intus hatten, »ich muss dich um einen Gefallen
bitten.«
    »Klar«, meinte ich. »Nur zu.«
    Er blickte sich um, als argwöhnte er, belauscht zu
werden, was völlig ausgeschlossen war.
    »Es geht um die Toten«, sagte er. »Und um
die Schnelldenker. Die Datenspeicher, die intelligente Materie
und die Interfacegeräte sind bereit für den
Wiederbelebungsprozess.« Er grinste. »Und ich
verfüge über die Codes, ohne die das ganze Zeug wertlos
ist. Trotzdem möchte ich, dass es langfristig sicher
gelagert wird. Und zwar an einem Ort, wo es rasch verfügbar
ist, sollten wir es jemals brauchen.«
    »Klingt vernünftig«, sagte ich.
    »Tja«, meinte er, »ich habe mir die
Pläne für die Schleusentore angesehen – wie
nennst du sie noch gleich, Siebplatten? Du hast mehrere tiefe
Höhlen für die Maschinen und das Baumaterial aus dem
Fels geschnitten.«
    »Und du willst da ein paar andere… Maschinen und
Materialien lagern?«
    »Ja«, antwortete er. »Wenn das ganze System
erst mal läuft, wird niemand mehr dorthin kommen. Sollte das
eintreffende Eis nicht als Abschreckung genügen, dann
jedenfalls die unbekannten organischen Stoffe. Es dürfte
nicht schwer sein, ihre Giftigkeit ein wenig zu
übertreiben.«
     
    Und so geschah es.
    Der eigentliche Bau des Kanals und der dazugehörigen
Pumpen und Schleusen nahm zwei Jahre in Anspruch. Dabei half mir
natürlich eine ganze Armada von Automaten und eine
Planungssoftware, die meine Kritzeleien und Handschwenker
verstand und in präzise technische Zeichnungen umsetzte.
Aber die Koordination und die letzten Entscheidungen lagen bei
mir; so viel Spaß hatte ich seit dem Dritten Weltkrieg
nicht mehr gehabt. Als der Siebplattenkomplex fertiggestellt war,
flog Reid ein, ganz allein in einem vom Autopiloten gesteuerten
Helikopter, mit den in Kisten verpackten Speicher- und
Wiedererweckungskomponenten für Millionen Tote und den
Programmen, die erforderlich waren, um Tausende hochgeladener
Menschen in einer posthumanen Kultur zu einem Neustart zu
verhelfen.
    Als wir die Geräte und Speichermedien im Berginneren
verstaut hatten, lud ich Meg und Reid zu einem Kaffee ein. In der
physikalischen Realität trug Reid Kontakte. Er sah uns auf
einer Veranda sitzen, und wir sahen ihn uns unmittelbar
gegenüber auf dem ausgeklappten Einstiegstreppchen des
Helikopters sitzen. Für einen äußeren Beobachter
– den es nicht gab – hätte es so ausgesehen, als
unterhielte Reid sich mit einer Maschine.
    Irgendwann fragte ich ihn, wie er mit dem Downloaden der
Robotermenschen in die geklonten Körper vorankäme.
    »Gut«, sagte er. »Gut. Drei Viertel haben
wir bereits durch. Nach Möglichkeit berücksichtigen wir
die individuellen Wünsche.«

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