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Die Mars-Stadt

Die Mars-Stadt

Titel: Die Mars-Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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Säcke voller Gemüse oder Mineralien aus langen,
schmalen Lastkähnen aus. Laster mit Elektroantrieb
stießen zum Beladen zum Kai zurück. Eine Familie von
Hominiden, die an Gibbons mit angeschwollenen Schädeln
erinnerten, zerrten ein Netz voller zappelnder silbriger Fische
über den Kai und schütteten sie in eine verrostete
Wanne hinter einer der Imbissbuden, wo eine untersetzte Frau sich
sogleich ans Ausweiden und Grillen machte. Wilde blieb dort
stehen und brachte die Frau zögernd und mittels
Zeichensprache dazu, Fisch, Blätter und Brot zu einer
Mahlzeit zu vereinen. Der Kaffee wurde in Pfandgläsern
ausgeschenkt.
    Wilde nahm das Frühstück am Rand des Kais ein,
ließ die Beine baumeln und aß langsam, wobei er sich
ständig umschaute. Der Robot hockte sich neben ihn.
    »Es wird allmählich Zeit, dass du mir ein paar
Dinge erklärst«, meinte Wilde. »Du hast gesagt,
du hättest mich erschaffen. Was hast du damit
gemeint?«
    »Hab dich aus einer Zelle geklont«, antwortete die
Maschine. »Hab dich in einer Retorte herangezüchtet.
Hab ein Programm laufen lassen, um deinen Gedächtnisinhalt
auf die Synapsen zu übertragen.« Sie summte versonnen.
»Das könnte deinen Tod bedeuten, also behalt’s
für dich.«
    »Warum hast du das getan?«
    »Ich brauche deine Hilfe«, antwortete Jay-Dub.
»Um gegen David Reid zu kämpfen und um diese Welt zu
verändern.«
    Wilde musterte nachdenklich die Maschine, sein
Gesichtsausdruck ebenso undurchsichtig wie die blanke
Oberfläche des Robots.
    »Du hast mir erklärt, was du bist«, sagte er.
»Aber wer bist du? Diesmal will ich die Wahrheit
hören. Die ganze Wahrheit.«
    »Was ich bin«, antwortete die Maschine so
leise, dass Wilde sich zu ihr hinüberbeugen und das Ohr an
den Lautsprechergrill legen musste, »das ist eine
komplizierte Frage. Aber ich war einmal du.«

 
4    Gefangen
     
     
    »Wenn du Interesse hast, wirst du kommen.«
    Der Zug setzte sich ruckartig in Bewegung. Die von gelben
Natriumdampflampen erhellten braunen Gebäude Carlisles
glitten vorbei.
    »Was?« Aus einer eisenbahninduzierten Trance
gerissen, war ich mir nicht sicher, ob ich die Bemerkung nicht
geträumt hatte. Der Mann auf der anderen Seite des so
genannten Pullman-Tisches trug eine Mütze und eine Jacke aus
einem glänzenden Material, das früher einmal Cordsamt
gewesen sein mochte. Sein verwaschenes Hemd sah aus wie eine
Pyjamajacke. Von Euston an hatte er den langen Nachmittag
über mit grimmiger Entschlossenheit aus einer anfangs halb
vollen Flasche Bell’s getrunken.
    Jetzt rieb er sich mit brauner Hand das Kinn, schabte
über die weißen Stoppeln auf seiner blässlichen
Haut und wiederholte seine Bemerkung. Ich lächelte
verzweifelt.
    »Ich verstehe«, log ich. »Sie haben ganz
Recht.«
    »Du wirst kommen«, sagte er. Er langte nach der
Flasche, schätzte anhand des Gewichts den verbliebenen
Inhalt und stellte sie wieder auf den Tisch, dann drehte er sich
mit der anderen Hand eine Zigarette. Sein scharfer, sich
bisweilen verschleiernder Blick ruhte währenddessen auf
mir.
    »Wohin?« Ich schaute weg und öffnete eine
Packung Silk Cut (eine Geste an die Adresse der Wohlhabenden).
Kurzzeitig leuchtete mein virtuelles Spiegelbild außerhalb
des Zuges auf. Die nasse Februarlandschaft zog vorbei.
    »Das is’ egal«, sagte der Mann und
stieß Zigarettenqualm und den säuerlichen Geruch
verdauten Whiskeys aus. »Wohin auch immer. Ich seh’s
dir an. Du bist interessiert.« Er legte den Kopf schief und
musterte mich schlau. »Du bist einer von denen
internationalen Sozialisten. Seh ich dir doch an.«
    Ich lächelte erneut und schüttelte den Kopf.
»Tut mir Leid, aber Sie irren sich, ich bin…«
Ich stockte, wusste nicht, wie ich es ihm erklären sollte.
Ich hatte eine Woche damit zugebracht, die Bibliothek des
Wirtschaftsinstituts der Londoner Universität zu
durchstöbern und mit meinem Vater zu diskutieren. Mir
schwirrte der Kopf von Marxismen.
    »Och, is’ schon gut, mein Sohn«, sagte er.
»Ich mach mir nichts aus irgendwelchen Streitereien. Schert
mich nich. Du bist’n Intellektueller, und ich bin
bloß ’n Arbeiter im Ruhestand. Aber du bist einer von
uns.«
    Er schraubte die Flasche auf, nahm einen Schluck und reichte
sie mir, wischte sich zuvorkommend die Hand am Schenkel ab und
fuhr dann mit dem Daumen um den Flaschenhals, um alle
schädlichen Keime zu entfernen.
     
    »Und wie ging’s weiter?«, fragte

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