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Die Mars-Stadt

Die Mars-Stadt

Titel: Die Mars-Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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Ich war die meiste Zeit im Ausstellungssaal.
Die Weltraumhändler waren jedenfalls zufrieden.«
    »Das ist also dein Ding?«
    »Ja.« Ich zückte meine Brieftasche und
reichte ihm eine der verbliebenen Geschäftskarten, mit
E-Mail-Adresse, Website, Telefonnummer und Postfach. »Vor
ein paar Jahren hab ich nach Weltraummemorabilien gesucht, nach
Videos, die im Erdorbit aufgenommen wurden, halt so Sachen, und
es wunderte mich, wie schwer sie zu finden waren. Da dachte ich
mir, he, eine Geschäftsidee! Ich begann mit Anzeigen in
SF-Magazinen, dann verhökerte ich das Zeug auf Kongressen.
Mittlerweile hat die Sache abgehoben.«
    Reid lächelte. »Abgehoben! Gut. Cheers.«
    »Slainte.«
    Ich blickte das dritte Glas an, das vor sich
hinschäumte.
    »Wo steckt unser abwesender Freund?«
    »Wird jeden Moment kommen. Entspann dich. Rauchst du
noch?«
    »Wieder«, antwortete ich. Dass er der Anlass
gewesen war, sagte ich nicht.
    Er reichte mir eine Zigarette.
    »Wie geht es Annette?«
    »Gut. Lässt dich grüßen.« Er
blinzelte nicht.
    »Und Eleanor?«
    Unwillkürlich musste ich über beide Backen grinsen.
»Ach, der geht’s prima. Schmollt auf ihrem Zimmer,
hört CDs und liest die meiste Zeit über irgendwelchen
Schrott, aber ansonsten ist sie ein richtiger Schatz.«
    »Wollte sie nicht mit zum Con?«
    »Ich weiß nicht«, sagte ich. »Als ich
sie fragte, lehnte sie achselzuckend ab. Annette wollte sich
ihren Urlaub für später aufheben, und Eleanor wollte
wohl lieber bei ihrer Mutter bleiben. Hätte ich sie gegen
ihren Willen mitgeschleppt, hätte sie womöglich eine
lebenslange Aversion entwickelt.«
    »Wie gegen die Demos, meinst du?« Reid
lächelte, schwelgte anscheinend in Erinnerungen.
    Ich schnitt eine Grimasse. »Wem sagst du das…
Annette und ihr ›Kampf für den Frieden‹! Mit
dreizehn wollte Eleanor bei den verwichsten Luftkadetten
eintreten!«
    »Was hielt sie davon ab?«
    »Wir jedenfalls nicht«, versicherte ich ihm.
»Kürzungen im Wehretat.«
    Auf einmal hatte auf dem Stuhl zu unserer Linken ein schlanker
Mann in mittleren Jahren Platz genommen, ähnlich gekleidet
wie Reid, mit schütterem schwarzem,
zurückgekämmtem Haar. Er griff sich die Speisekarte und
nickte uns beiden zu. Wegen der Kontaktlinsen musste er mit
seinen braunen Augen häufig blinzeln, als wäre es hier
verräuchert. Ich drückte meine Zigarette aus.
    »Guten Abend, Gentlemen.« Er hob sein Glas und
nahm einen Schluck.
    »Das ist Ian Cochrane«, erklärte Reid.
»Arbeitet in unserer Rechtsabteilung. Ian, das ist Jonathan
Wilde.«
    »Erfreut, Sie kennen zu lernen, Mr. Wilde.« Sein
Händedruck war feucht, was vielleicht auf die am Glas
kondensierte Luftfeuchtigkeit zurückzuführen war, doch
sein Daumendruck war fest.
    »Jon«, sagte ich mit einem Kopfnicken und
überlegte, ob das ein Freimaurerhändedruck gewesen
war.
    »Ich habe schon viel Ihnen gehört, Jon«,
sagte Cochrane. »Am meisten beeindruckt hat mich Ihr
Artikel über die Brent Spar.« Ich fing den Blick eines
Obers auf. »Sollen wir bestellen?«
    Er hatte den Tonfall und das Gebaren der schottischen
Mittelklasse, was britischer wirkt als das Englische. Er war
wählerisch beim Essen und plauderte belanglos, während
Reid und ich unseren Hunger stillten. Als sein Glas leer war,
bestellte er Mineralwasser. Dann hörte das Gespräch
auf, trivial zu sein.
    »›Es wird allmählich Zeit, dass jemand den
Leuten den Unterschied zwischen dem Grund der Nordsee und dem
Grund des Nordatlantiks klarmacht‹«, zitierte er
auswendig den Anfang meines Artikels – ein kurzer Aufsatz
in der mit ›Konträre Meinungen‹
überschriebenen Spalte einer Sonntagszeitung.
»›Das eine ist der Boden einer stark verschmutzten
Speisekammer, der aufgeräumt gehört. Das andere ist das
Schatzkästlein des Meeres…‹ Aber niemand
schert sich darum, und genau darum geht es Ihnen,
stimmt’s?«
    »Genau«, sagte ich und löffelte
Avocadosoße mit einem Tacostück auf. »Und
deshalb macht Greenpeace sich des Mordes schuldig und kommt
ungeschoren davon.«
    »Mord, genau«, sagte Cochrane. »Aber wer
glaubt schon eher einer Ölgesellschaft als einem Haufen
uneigennütziger Idealisten?«
    »Ich«, sagte Reid.
    »Aber Sie sind untypisch«, rief Cochrane ihm in
Erinnerung. Er wandte den Kopf und blinzelte mich nachdenklich
an. »Wie Sie wahrscheinlich wissen, ist David unser
IT-Manager.« Ich nickte; das hatte ich nicht gewusst.
»Er hat

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