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Die Mars-Stadt

Die Mars-Stadt

Titel: Die Mars-Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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Interesse daran, irgendwelche
Umweltverschmutzer zu schützen, denn wie sich bei den
Asbestfirmen gezeigt hat, stellen sie ein großes Risiko
dar. Hingegen haben wir allergrößtes Interesse an
Wohlstand und Wachstum und an Kunden, die ihre Prämien ein
langes, gesundes Leben lang entrichten. Sollte also jemand eine
Organisation wie besprochen gründen, könnten wir unsere
Interessen durchaus offen legen und nach beiden Seiten
rechtfertigen.«
    »Vorausgesetzt, das Auftreten stimmt«, meinte
Reid. »Und das traue ich dir durchaus zu.«
    »Danke«, sagte ich. »Möglicherweise
würde es nicht verwerflicher wirken, als den Tories Geld zu
spenden. Eher weniger.«
    Cochrane hüstelte. »Zufällig sind unsere
diesjährigen Spenden…«
    Reid und ich lachten zynisch. Nach einer Weile stimmte er in
unser Gelächter ein.
    »Nun ja, es ist uns nun mal darum zu tun, das Risiko zu
streuen!«
    »Das ist schon was«, sagte ich, »dabei
zuzusehen, wie das Großkapital die Seite
wechselt.«
    »So ist es«, meinte Cochrane. »Bei unserem
Vorschlag geht es um eine ganz ähnliche, wenn auch
langfristigere Investition.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Tut mir Leid, aber ich
verstehe immer noch nicht.« Ich ahnte etwas, wollte es aber
nicht glauben.
    Cochrane hob eine Braue und blickte Reid an, der
andeutungsweise nickte.
    »Ich habe mal in den Schriften geblättert, die Sie
Dave im Laufe der Jahre haben schicken lassen«, sagte
Cochrane. »In dem ganzen Blödsinn finden sich auch
einige recht anregende Ideen zur möglichen Rolle der
Versicherungsgesellschaften bei der Vermittlung von Sicherheit an
ihre Kunden. Als politisches Ideal freilich…« Ein
Handschwenker. »Doch als Firmenstrategie für den Fall,
dass der Staat seine Verantwortung nicht mehr im gewohnten
Maße wahrnehmen sollte, besitzt es einen gewissen Reiz.
Ganz zu schweigen von…«
    Mehr sagte er nicht. Sein nervöses Blinzeln hatte er
eingestellt, und plötzlich erwiderte er unverwandt meinen
Blick.
    »Einer kleinen Störung im ruhigen Gang der
britischen Geschichte?«, schlug ich vor.
    Er nickte sachlich. »Das ist natürlich reine
Spekulation. Aber eines Tages könnten wir in die Lage
kommen, unsere Haltung zu dem, was der gelehrte Mr. Ascherson
gerne als Hannoveranerregime bezeichnet, zu
überdenken. Betrachten Sie das als…«
    »Rückversicherung«, meinte Reid
fröhlich.
    Ich blickte von einem zum anderen und steckte mir eine
Zigarette an, bewegte meine Hände ganz vorsichtig, damit sie
nicht zitterten.
    Bis zu diesem Moment hatte ich geglaubt, ich sei
gegenüber den Verlockungen der Macht ebenso immun wie ein
Eunuch gegenüber weiblichen Reizen. Ich erhob mich niemals,
wenn die Nationalhymne gespielt wurde, und straffte mich nicht
vor einer Fahne, ich hatte noch nie einen Wahlzettel in eine Urne
hineingesteckt. Die Haltung, die der Sekte meiner Eltern den
Spottnamen ›Verunmöglicher‹ eingebracht hatte,
war anscheinend auf mich übergegangen. Oh, ich wollte
durchaus Einfluss ausüben und die Denkweise der Menschen
verändern, genau wie meine Eltern; aber – auch das
hatte ich mit ihnen gemeinsam – ich hatte nie ernsthaft
damit gerechnet, dass ich eines Tages meine Hand auf den
verlockenden Leib der Macht legen würde.
    Kurz gesagt, ich war ein richtiger Wichser gewesen, bis zu
diesem Moment, als ich erkannte, was mir entgangen war. Was ich
dabei spürte, war eine nahezu sexuelle Erregung, versteht
Ihr; das ist im männlichen Primatenhirn angelegt.
    Der große Reiz bestand nicht darin, dass sie mir Macht
anboten – sie boten mir ein wenig Einfluss an, mehr nicht.
Nein, wovon sich mir die Nackenhaare sträubten, das war ihre
Unterstellung, dass ich in ein paar Jahren Macht besitzen könnte; dass ich etwas repräsentieren
könnte, mit dem sich beizeiten gut zu stellen geraten
schien: dass wie auf Lenin auch auf mich ein St. Petersburg
warten könnte.
    »Bloß eine Frage«, sagte ich. »Es gibt
viele bekanntere Leute mit besseren Verbindungen als mich, die
ähnliche Ansichten vertreten, warum also gerade
ich?«
    Reid machte Anstalten, etwas zu sagen, doch Cochrane kam ihm
zuvor.
    »Der Grund ist, dass Sie keine Verbindungen zum
derzeitigen Establishment haben, und es wäre auch nicht in
unserem Sinn, wenn Sie welche kultivieren würden. Unsere
Ansichten zur Landfrage und zum Bankensystem werden von allen
liberalen Denkfabriken, die ich konsultiert habe, für
vollkommen abwegig gehalten. Ihre

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