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Die Mars-Stadt

Die Mars-Stadt

Titel: Die Mars-Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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politischen Beziehungen sind
dergestalt, dass man beim MI5 und der Staatssicherheitspolizei
dem Vernehmen nach recht dicke Akten über Sie angelegt hat.
Mit Ihren Internet-Artikeln zum Anschlag in Oklahoma und zu
Tschetschenien und Bosnien haben Sie zudem das FBI, die CIA und
die FIS als Leser hinzugewonnen. Und deshalb, verstehen
Sie…«
    »Schon kapiert«, sagte ich. »Sie wollen
jemanden kaufen, der nicht käuflich wirkt.«
    »Herrgott, Mann…!«, setzte Reid an, doch
Cochrane fiel ihm ins Wort.
    »Entschuldigung, Leute«, sagte er und wischte sich
Chilistäubchen von den Fingern. »Ich habe mich noch
nie mit einem radikalen Gewissen auseinandersetzen müssen,
und offen gesagt, würde ich meiner Sache bei der Diskussion,
die ich kommen sehe, einen schlechten Dienst erweisen.« Er
lächelte uns gequält, beinahe mitleidig an. »Wenn
Sie nichts dagegen haben, werde ich jetzt gehen.«
    Er stand auf, streckte die Hand aus, und ich erhob mich, um
seinen speziellen Händedruck scherzhaft zu erwidern.
»Guten Abend, Jon, ich hoffe, wir sehen uns
wieder.«
    »Ich auch, Ian.«
    Er nickte Dave zu und ging.
     
    Dave schwieg, bis die Tür hinter Cochrane zugefallen war.
Dann pflanzte er die Ellbogen auf den Tisch und legte die Finger
an die Wangen, sodass sich die Handballen beinahe vor dem Mund
trafen.
    »Worauf, zum Teufel, willst du hinaus?«, fragte
er.
    »Auf gar nichts«, erwiderte ich. »War mein
voller Ernst. Du hast doch nicht etwa erwartet, ich würde
für irgendwelche Typen, die sich Sorgen machen, ihr
behagliches Arrangement könnte den Bach runtergehen, mit
Begeisterung den radikalen Frontman machen?«
    »Was bist du doch für ein Idiot«, meinte Dave
keineswegs unfreundlich. »Von dir hätte ich am
allerwenigsten erwartet, dass du… ach, was soll’s?
Komm, gehen wir einen saufen!«
    In der gemütlichen kleinen Malt Shovel ließ er sich
von mir ein Pint Caffrey’s holen und weihte mich in seine
Pläne für den Rest des Abends ein.
    »Ich möchte dir meine Lieblingspubs zeigen«,
erklärte er. »Das lässt sich nur auf eine Art
machen – eine Kneipentour mit öffentlichen
Verkehrsmitteln. Als Erstes das Café Royal, dann mal rasch
in die Bahnhofsbar reinschauen, weiter zum Haymarket, mit dem
nächsten Zug nach Dalmeny, in South Queensferry an der
Strandpromenade entlang, dann mit dem letzten Bus über die
Brücke nach Dunfermline.«
    Dunfermline. Ich hatte meine Sendungen dorthin adressiert,
hatte es aber für einen Vorort von Edinburgh gehalten.
Falsch: Anscheinend lag es auf der anderen Seite des Forth. In
meiner geistigen Vorstellung schaltete ich auf die
Gebirgszüge des Highlands um.
    »Glaubst du, die Zeit reicht aus?«
    Er setzte das leere Glas ab. »Mal sehen, wie weit wir
kommen.«
    Wir eilten im Laufschritt die Cockburn Street entlang,
zurück über die Waverley Bridge und dann um die
Rückseite einer Waterstone- und einer Burger-King-Filiale zu
einem großen Pub, der anscheinend bloß einen
Nebeneingang hatte. Hohe Decke, gekachelte Wände,
Ledersitze, Marmor, poliertes Messing und Hartholz.
    »Ein wahrer Volkspalast«, bemerkte ich, als wir
Platz nahmen. »Könnte aus einem deiner entarteten
Arbeiterstaaten stammen.«
    Reid grinste. »Dann wäre das Bier
billiger.«
    »Klar«, meinte ich. »Siehst du, was sie mit
Budweiser gemacht haben?«
    »Schockierend«, sagte Reid. »Das sollte
gesetzlich verboten sein.«
    Ich deutete mit dem Kinn zu den Bildern an der Wand
hinüber. »Helden der industriellen Revolution…
ist das Watt? Stevenson?… die sollten hier ein Bild haben,
das Adam Smith dabei zeigt, wie er die unsichtbare Hand
erblickt.«
    »Kapitalistischer Realismus«, meinte Reid.
    »Worauf du dich offenbar verstehst.«
    »Ja, zu meinem Glück.« Reid lehnte sich
zurück und machte die Beine lang. »Das ist das einzige
Spiel, das in der Stadt gespielt wird.«
    »Also, du musst es ja wissen.«
    »Da kannst du einen drauf lassen!«, sagte er
energisch. »Meine langfristigen Vorstellungen haben sich
nicht geändert – aber ich merke, wann ich geschlagen
bin. Es wird Generationen brauchen, die Folgen des Zweiten
Weltkriegs zu überwinden, wir erleben das nicht mehr. Das
letzte Mal, als ich mich mit der Linken eingelassen habe, das war
während des Golfkriegs. Die Kids haben keine Ahnung, und die
Älteren…« – plötzlich grinste er wie
der gute alte Dave von früher –, »das
heißt, die, die älter sind als wir, die gucken

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