Die Mars-Stadt
einer
erstaunlichen Aussicht auf die Forth Bridge, deren Scheinwerfer
unheimliche Säulen in den eindunkelnden Himmel malten. Die
Road Bridge umgrätschte die hintergrundbeleuchtete
Zirruswolke des Sonnenuntergangs. Dave führte mich einen
schmalen, von peitschenden Brombeerranken eingefassten Pfad
entlang, der zwischen Feldern und dem Eisenbahndamm
herführte, dann über eine Anhöhe, eine
Holzbrücke und eine lange Holztreppe zum Ufer des Firth. Ein
scharfer Linksschwenk brachte uns schließlich zum Hawes
Inn, einem Pub, dessen Charme von den Spielautomaten und
zahlreichen unpassenden Zitaten Robert Louis Stevensons an den
Wänden kaum gemindert wurde.
Wir setzten uns ans Fenster, in die Ecke, wo auch die
Automaten standen. Neben uns fanden dröhnende
Weltraumschlachten statt.
»Weiter ist Rom nicht gekommen«, bemerkte Reid mit
einem seltsamen Unterton persönlicher Genugtuung, als er
über den Firth hinwegsah.
»Das kann nicht sein«, sagte ich. »Waren die
Bewohner der Highlands nicht Katholiken?«
»Das römische Reich«, erklärte
Reid. »Das war der nördlichste Punkt, der Limes. In
Cramond haben sie anscheinend Eingeborene massakriert. Jenseits
des Firth haben sie überall Legionen verloren, so ist
das.«
»He!« Ich hob mein Pint Arrol’s. »Auf
das Ende der Weltreiche.«
»Cheers«, meinte Reid und nickte. »Trotzdem
ist es irgendwie beeindruckend. Das ganze Land von hier bis zur
anderen Seite des Mittelmeers unter einer Regierung.«
»Hmm… jemand sollte die Euro-Skeptiker warnen:
Schließlich hat es tausend Jahre gewährt!«
– und das in einem quäkenden Comic-Deutsch, das
einen der Weltraumkrieger veranlasste, zu mir herzuschauen und
auf dem Bildschirm ein paar Raumschiffe an das Reich des
Bösen zu verlieren. Ich glaube, ich war bereits
angetrunken.
Als Nächstes kehrten wir im Two Bridges, im Anchor und im
Ferry Tap ein. Vor dem Queensferry Arms zögerte Reid, dann
sagte er: »Lassen wir den aus. Ich weiß was
Besseres.« Er führte mich ein paar Schritte die
schmale High Street entlang, zu einem chinesischen Imbiss, wo er
versprach, mir das leckerste Gericht auf der Karte zu
bestellen.
»Zwei Portionen Curry-Chips, bitte.«
»Chips mit Curry?«, fragte ich ungläubig.
»Nach ein paar Pint brauchst du das.«
Das Mädchen hinter der Theke bediente uns, wie mir
schien, mit einem herablassenden Lächeln. Während wir
mit kleinen Plastikgabeln das dampfende, klebrige, fettige Zeug
aßen, kamen wir an einer Polizeiwache und einem
Gebäude vorbei, das Reid als Jakobinerkirche bezeichnete,
dann ging es weiter zum letzten Pub, unterbrochen von einem
kleinen Zwischenhalt, als wir unseren Abfall hinter einem
Eingangstor entsorgten.
Schnaufend wie zwei Drachen stapften wir in The Morrings
hinein. Das Mädchen hinter dem Tresen wandte
tatsächlich das Gesicht ab, als sie uns das Bier zapfte. Ich
folgte Reid nach hinten, wo breite Fenster Ausblick auf die
Brücke boten.
Der Pub war neu und auf alt gemacht; nautische Instrumente und
gerahmte Abbildungen von Schlachtschiffen an den Wänden.
Reids Bemerkung über das Römische Reich hatte sich zu
einer komplizierten Erörterung über Reiche im
allgemeinen ausgeweitet, für deren Daseinsberechtigung sich
Reid vehement aussprach. Den Nationalismus, die Alternativoption
für desillusionierte Sozialisten, verabscheute er.
»Schau mal«, sagte er, brach die dritte
Zigarettenpackung an und zeigte auf die Kupferstiche. »Guck
sie dir an. Die haben uns gerettet, stimmt’s? Vor den
deutschen faschistischen Barbaren. Und vor dem guten alten Onkel
Joe, um die Wahrheit zu sagen.«
»Das«, entgegnete ich und versuchte, meinen Blick
scharf zu stellen, »ist eine etwas vereinfachte
Schichtweise. Sichtweise. Ich wundere mich.«
»Ich mich auch«, sagte er. »Vor ein paar
Jahren fand hier eine Flugzeugschau statt, rückwärts
fliegende Harrier, Loopings fliegende Sea Kings und all so was,
und da wurde mir bewusst, dass ich auf die Jungs stolz war. So wie früher auf die heroische Rote Armee und den
Vietkong.«
»Mein Gott.« Ich war so schockiert, dass ich
vorübergehend wieder nüchtern wurde. »Willst du
etwa behaupten, die bewaffneten Streitkräfte des britischen
Staates wären Freiheitskämpfer? Ich bin sicher,
die Iren beispielsweise würden das ganz anders
sehen.«
»Ach, scheiß auf die Iren«, meinte Reid, zum
Glück nicht besonders laut. »Ich muss zugeben, ich
hatte jahrelang ein
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