Die Mars-Stadt
»Also gut«, sagte ich,
als das Gekicher verstummt war, »und jetzt zu den ernsteren
Dingen. Das Hannoveraner-Regime sind wir Gott sei Dank los, aber
wie Julie bereits sagte, stellt sich die Frage, wie es
weitergeht. Die politischen Strukturen werden sich eine Zeit lang
als recht flexibel erweisen. Aber wie wäre es, wenn wir
versuchen würden, ein Stück Brachland in die Hand zu
bekommen, und dann richten wir dort eine Freihandelszone, einen
Freihafen oder etwas in der Art ein und investieren in unsere
eigenen Taschen?«
Adrian Miss runzelte die Stirn. Er war verantwortlich für
das Lobbying der Organisation. »Das könnten wir
wahrscheinlich deichseln«, meinte er, »aber warum
sollten wir das tun? Freihandelszonen sind bei richtigen
Unternehmen besser aufgehoben als bei politischen
Organisationen.« Auf dem Monitor blitzte sein Lächeln
auf. »Wisst ihr, das erinnert mich an eine gewisse
sektiererische Ideologie!«
»Ich will euch den Grund verraten«, sagte ich.
»Wenn alles glatt geht, werden wieder ein paar von unseren
Ideen getestet. Aber es könnte sein, dass das Land vor dem
Auseinanderbrechen steht. Die Geschichte hat immer wieder
gezeigt, was das bedeutet. Jeder rafft, so viel er kann. Ein
Stück eigenes Land zu haben, wäre vielleicht ein
entscheidender Vorteil.«
Ein Tumult brach los. Lediglich Julie und Ewan waren für
meinen Vorschlag. Ich gab mich zurückhaltend und schlug vor,
eine Mitgliederbefragung durchzuführen. Die Gegner des Plans
stimmten zu, im Vertrauen darauf, dass der Vorschlag abgelehnt
werden würde.
Nun stand Aaronsons und Rutherfords Abwesenheit auf der
Tagesordnung. Ich schlüpfte in den Schafspelz und
überzeugte das Komitee davon, die beiden auf keinen Fall
ermorden zu lassen, sollte sich herausstellen, dass sie Spitzel
gewesen und außer Landes geflohen waren.
Gegen Abend ergaben die von mir veranlassten Nachforschungen,
dass man ihnen diskret einen Job bei der geplanten Nationalen
Raumfahrtbehörde angeboten hatte und dass sie sich nicht
getraut hatten, uns davon zu erzählen. Als ich das erfuhr,
war ich durchaus versucht, sie ermorden zu lassen, kam aber nach
einigem Nachdenken zu dem Schluss, sie lediglich aus dem Komitee
auszuschließen.
Bei der Mitgliederbefragung erhielt der Plan, ein Gebot
für ein Gewerbegebiet abzugeben, eine
überwältigende Mehrheit, was ich von vorneherein
gewusst hatte. In dieser Phase der politischen Umwälzungen
konnte selbst ein Haufen Anarchisten nicht umhin, sich zur
Abwechslung einmal vernünftig zu verhalten.
Ein Jahr später kontrollierte FreiRaum in Nordlondon eine
Industriebrache mit ein paar leerstehenden Hochhäusern, die
der Stadtrat loswerden wollte. Ein halbes Jahr später
wimmelte es dort von engagierten Freiwilligen, und Adrian zog
spielend Investitionen an Land. Nach weiteren sechs Monaten
teilte eine Delegation von Arbeiter- und Arbeitgebervertretern
dem Komitee mit, sie wären zwar sehr zufrieden mit dem
Schutz unserer Miliz, bräuchten aber noch eine kleine
zusätzliche Absicherung.
Bloß zur Beruhigung.
Julie meinte, es sei unmoralisch, Ewan meinte, es sei illegal,
Arien meinte, es sei viel zu teuer, und ich sagte, ich würde
jemanden kennen, der sie uns billig verschaffen könnte.
Mitschrift eines Telefonat, freigegeben 01/10/50
gemäß dem Gesetz zur Informationsfreiheit (der
ehemaligen Regierung).
[die automatische Ansage endet]
JW: Hallo, Dave.
DR: Oh, hallo, du alter Schuft. Was kann ich für dich
tun?
JW: Äh… wird das Gespräch
verschlüsselt?
DR: Nein, aber ich bin sicher, du weißt, was du sagen
kannst und was nicht.
JW: Scheiße. [Pause] Wir beabsichtigen, uns
privat zu engagieren. [Pause]
DR: Hast du endgültig den Verstand verloren?
JW: Glaub nicht. Wie ich gehört habe, können ein
paar deiner Freunde in den kommunistischen…
DR: … entarteten Arbeiterstaaten… [Gelächter]
JW: … die besten Angebote machen. Kannst du das
deichseln?
DR: Ja, klar. Die haben bei uns Policen.
JW: Besser als Politik. [Gelächter]
DR: Ich verstehe bloß nicht, wofür du die
brauchst.
JW: Geschäfte sind nicht dein Ding, was? [Pause]
DR: Na ja, es ist dein Leben. Lass mal sehen. Mist, okay,
sagen wir nächste Woche… Dienstag, neun Uhr
dreißig, Stanstead. Am Charterschalter.
JW: Bis dann, Kumpel.
DR: In Ordnung. Grüß Frau und Kinder. [Gelächter]
JW: Und du Geliebte und Anhang.
DR: Also, ich danke dir, Kumpel. Cheers.
JW: Slandge.
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