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Die Mars-Stadt

Die Mars-Stadt

Titel: Die Mars-Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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westlichen Horizont aufblitzte.
    »Der Robot hat etwas von einem
›Wasserfall‹ erwähnt«, wandte er sich an
Ethan. »Was hat er damit gemeint?«
    »Kometeneis«, erklärte Ethan lakonisch.
»Speist die Kanäle.«
    »Eine Art langsames Terraformen«, fügte
Tamara hinzu. »Der Planet ist bewohnbar, das schon, aber
wir wünschen uns mehr Wasser und eine dichtere
Atmosphäre. Klar, es wird noch ein paar Jahrhunderte dauern,
aber dann wird es hier so grün sein wie auf der Erde.«
Sie stockte, als habe sie sich hinreißen lassen.
»Zumindest meint das Reid.«
    »Ich wüsste gern«, murmelte Wilde, »wie
grün es jetzt auf der Erde ist. Was immer
›jetzt‹ bedeuten mag.«
    »Ah«, meinte Ethan prompt. »Das kann ich
Ihnen sagen.« Er blickte demonstrativ auf seine Armbanduhr.
Tamara und Wilde lachten, so laut, dass sich auf den im
Gänsemarsch nachfolgenden Booten Köpfe zu ihnen
herdrehten.
    »Nein, nein«, fuhr Ethan fort. »Ganz im
Ernst. ›Jetzt‹ bezieht sich auf zwei Zeiten. Einmal
auf die absolute, falls es sie denn gibt: weiß der Teufel.
Und zwar so: Wenn ein Signal aus dem Sonnensystem eintrifft,
wäre es lange unterwegs gewesen. Ein paar Tausend oder
Millionen Jahre, keine Ahnung. Aber wenn man durchs Malley Mile,
das Tochter-Wurmloch, zurückginge, würde man im Jahr
2094 nach Christus plus Bordzeit dort eintreffen. Sechs Komma
vier Gigasekunden, warten Sie mal… äh… das
sind die Neunzigerjahre des vierundzwanzigsten Jahrhunderts,
vielleicht Anfang des fünfundzwanzigsten. Also haben wir
draußen jetzt das fünfundzwanzigste
Jahrhundert.«
    »Das fünfundzwanzigste Jahrhundert!« Wilde
lachte. »Dann ist die Erde vielleicht tatsächlich
wieder grün! Oder vielleicht sogar rot!«
    Das kapierten sie nicht, und er erläuterte es auch nicht.
Er wandte sich stirnrunzelnd an Ethan Miller.
    »Warum ›Tochterwurmloch‹?«, fragte
er.
    Ethan zuckte die Achseln. »Das hat mein alter Herr immer
gesagt. Er ist hindurchgegangen, und zwar nicht als beschissener
Robotupload. Er war kein Krimineller, sondern gehörte zur
Crew.« Er klopfte sich an die Brust. »Ich bin durch
und menschlich, jawohl.«
    »Karbonchauvinist«, neckte ihn Tamara.
    Wilde beugte sich vor und steckte sich geistesabwesend noch
eine Zigarette an. »Reden Sie weiter.«
    »Na ja«, meinte Ethan und deutete zum Himmel hoch,
»das Wurmloch, durch das wir kamen, war ein
Spin-off.« Er schwenkte die Hand seitlich. »Die
Hauptsonde, die die Schnelldenker bauten, bevor ihr Verstand
durchbrannte, flog einfach weiter. Und zog das Ende des Wurmlochs
bis… wohin auch immer. Müsste mittlerweile angekommen
sein.« Er lachte krächzend. »Was immer
›mittlerweile‹ bedeuten mag, wie Sie schon
sagten.«
    Wilde lehnte sich zurück und sog so fest an der
Zigarette, dass er das Leuchten der Glut mit den Händen
nicht abschirmen konnte.
    »Das Ende der Zeit«, sagte er.
    Er dachte noch eine Weile nach.
    »Oh, verdammt«, meinte er.
    »Was haben Sie?«, fragte Tamara. Sie drosselte den
Motor, und das Boot trieb im Leerlauf auf eine Sandbank zu.
    »Zeit«, sagte Wilde. »Wie in fünf
Minuten vor zwölf.«
    »Also«, sagte Tamara, als das Boot aufsetzte,
»wir sind im Fünften Viertel. Lassen Sie uns den
nächsten Schritt tun.«

 
12    Todeserfahrung
     
     
    Annette hatte Schläuche im rechten Arm, ich im linken.
Sie ergriff meine Rechte mit ihrer Linken.
    »Angst?«, fragte ich.
    »Ein bisschen.«
    »Ich auch.« Ich erwiderte ihren
Händedruck.
    Der Gemeindesaal war voller reifer Leute, älterer Leute,
Leute wie wir; auf Rollbetten liegend, sahen wir zur
Deckenverkleidung auf. Grün getöntes Tageslicht,
grün gekleidete Techniker, alles ging langsam vonstatten:
ein Gefühl wie unter Wasser. Große Maschinen waren mit
den Schläuchen verbunden und pumpten winzige Maschinen ins
Blut. Kein Nanotech, keine vollwertige Zellreparatur, noch nicht;
doch sie ermöglichten es uns, solange zu leben, bis es all
dies gab. In den sieben Jahrzehnten unseres Lebens hatte sich
unsere Lebenserwartung um mindestens weitere vierzig Jahre
erhöht. Wir fühlten uns besser als mit fünfzig.
Wir sahen aus wie – nun, die ersten
Antialterungsbehandlungen hatten unsere Haut nicht nur
zäher, sondern auch straffer gemacht, sodass wir ein wenig
wettergegerbt, sozusagen geräuchert wirkten.
    Diese Behandlung war neu. Wir unterzogen uns ihr zum ersten
Mal, wenngleich ich mir vor ein paar Jahren zur Behandlung

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