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Die Mars-Stadt

Die Mars-Stadt

Titel: Die Mars-Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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dort mit ihrem Partner ein langes Wochenende
verbrachte.
    »Wie verhält man sich im Krieg,
Jonathan?«
    Eleanors neunzehnjährige Tochter Tanya klang eher
neugierig als verängstigt. Dies war eine der
Krisensitzungen, wie sie in den ersten Stunden nach Ausbrechen
des Konflikts von Familien im ganzen Land abgehalten wurden. Die
unsere fand in Eleanors Wohnzimmer in Finsbury Park statt. Ihre
Abwesenheit war deutlich spürbar. Viele unserer Freunde und
auch einige Verwandte hielten sich in Berlin auf. Auf allen
möglichen Kanälen wurden Gespräche geführt.
Ich hatte ein Pagingprogramm, das Eleanor verfolgte, und
versuchte gleichzeitig eine Sitzung des Exekutivausschusses zu
organisieren, teilweise um mich von ihr abzulenken. Die
Verbindungen waren langsam, was mich nicht wunderte.
    Wie verhält man sich im Krieg? Eigentlich hätte man
meinen sollen, sie als Antimilitaristin in der vierten Generation
wüsste das.
    »Man opponiert dagegen«, sagte ich. Meine Antwort
war offenbar nicht sehr erhellend. In einem weiteren Versuch,
eine Konferenzschaltung herzustellen, tippte ich Zahlencodes
ein.
    Angela, Eleanors älteste Tochter, lachte. »Du bist
unverbesserlich.« Sie servierte gerade Kaffee und Tee. Sie wusste jedenfalls, wie man sich im Krieg verhielt.
    »Meine Großeltern waren engagierte Gegner des
Ersten Weltkriegs, meine Eltern haben gegen den Zweiten
opponiert, und ich will verdammt sein, wenn ich mir die
Gelegenheit entgehen lasse, im Dritten das Gleiche zu tun.«
Der Server reagierte nicht. Seufzend gab ich den Re-Route-Befehl
ein.
    »Klar«, meinte Annette und lehnte sich an meine
Schienbeine. »Ein Kriegsgegner mit
Nuklearoption.«
    »Mit nuklearem Schutz«, verbesserte ich
sie. »Aber dazu wird es nicht kommen. Die Deutschen
besitzen keine Atomwaffen.«
    »Behaupten sie.«
    Annette zappte durch die Kanäle und bekam eine
CNN-Satellitenübertragung von der polnischen Front herein,
ein WDR-Vox-Pop-Programm aus Berlin, die Channel-4-Nachrichten,
die über Beratungen der regionalen und bundesstaatlichen
Parlamente Britanniens berichteten. Mit den gepanzerten
Hovercrafttransportern ging der Vormarsch der Deutschen
unglaublich schnell vonstatten. Sie setzten Kampfdrohnen ein wie
Khomenei und Mao früher Menschen. Wir befanden uns nicht im
Krieg – noch nicht. Viele Mitglieder der
Oppositionsparteien wollten, dass wir uns einmischten. Lord
Ashdowns Gesicht tauchte für meinen Geschmack viel zu
häufig auf.
    »Nein, das behauptet die Überwachungsbehörde,
und die sollte es eigentlich wissen, schließlich geht es um
ihre Haut, wenn… ah!«
    Endlich hatte ich eine Verbindung. Hinter dem Bildschirm auf
meinem Schoß tauchte im Maßstab 1:0,1 ein Tisch auf,
an dem die anderen versammelt waren. Von den ursprünglichen
Ausschussmitgliedern waren nur noch Julie O’Brien und ich
übrig geblieben. Die anderen Gesichter waren neu. Beinahe
ein Jahrzehnt der sozialen und politischen Umwälzungen
– der Revolution, wie jedermann sagte – hatte im
liberalen Kader der Weltraumbewegung, dessen Angehörige
zumeist bei FreiRaum organisiert waren, die Spreu vom Weizen
getrennt. Einige der Besten waren Aaronson und Rutherford nach
Woomera gefolgt, wo die britischen und australischen Republiken
ein gemeinsames Weltraumprojekt betrieben. Andere waren in die
konventionelle Politik desertiert, zumeist zu den Republikanern,
bisweilen aber auch zu wilderen Gestaden wie der
wiederauferstandenen trotzkistischen Arbeiterpartei oder den
immer zahlreicher werdenden Einthemen-Kampagnen. Ich blieb mit
den Hardlinern übrig – Jungtürken (ha!), die mich
für einen gefährlichen Gemäßigten
hielten.
    »Okay, Genossen«, sagte ich. »Jeder, der
diese Beratung aufmerksam verfolgt, sollte jetzt besser den
Fernseher einschalten, denn wir sollten die Nachrichten zumindest
im Auge behalten. Die Weltraumbewegung als Ganzes wird wegen des
Krieges zweifellos zerstritten sein, und so soll es auch sein,
aber wir von Frei-Raum haben die Verantwortung, Stellung zu
beziehen – in Namen der Freiheit, wenn nicht im Namen des
Weltraums. Ich habe großes Verständnis für die
Deutschen – man konnte schließlich nicht erwarten,
dass sie sich dauerhaft mit Flüchtlingen, Fallout und
Terrorismus abfinden würden. Ich sehe mit Genugtuung, dass
die Polen sich eine blutige Nase holen, zumal wenn man bedenkt,
wie sie mit ihren Minderheiten umgehen. Aber trotzdem. Ich sage,
das ist ein

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