Die Mars-Stadt
einherführt, die keine fünf
Meter auseinanderliegen.
»Ein Glück, dass das Boot da war«, sagt
Dee.
Tamara schnaubt. »Das Boot gehört mir! Ich habe vor
einer Stunde dort angelegt, als ich die Runde durch die Kneipen
begonnen habe.«
Dee lächelt schwach. »Wo fahren wir hin?«
»Zum Circle Square«, antwortet Tamara. »Zum
Viertel der lebenden Toten. Dort wimmelt es von schlechten
Künstlern, freidenkenden Maschinen und Anarchisten, die sich
darüber streiten, wie die Anarchie aussehen soll. Dort ist
es sicher.«
Dee ist sich unsicher, wie sie dies aufnehmen soll.
»Danke, dass du mir geholfen hast.«
Tamara blickt an Dee vorbei aufs dunkle Wasser. »Ja,
also… ich muss zugeben, mir ist nicht ganz klar, wobei ich
dir eigentlich geholfen habe. Dieser Typ und der Robot sahen
eigentlich nicht nach Greifern aus. Hast du sie erkannt, oder
was?«
Diese Frage hat Dee sich auch schon gestellt.
»Nein«, sagt sie mit kalter Stimme. »Aber er
hat mich erkannt. Da bin ich mir sicher.«
»Ich auch«, meint Tamara trocken. »Ich
glaube bloß nicht, dass er dich von Fotos her kennt. Im
ersten Moment sah er aus, als wollte er dich umbringen. Als
wollte er irgendjemanden umbringen, aber, Mann, das hätte
auch der Schock sein können oder so was – he!«
Sie sieht Dee ins Gesicht. »Du bist doch nicht etwa tot, oder? Ihr beide habt vielleicht schon mal
gelebt.« Sie wirkt recht erfreut über diesen Gedanken.
»Das geht schon in Ordnung, mir kannst du’s ruhig
sagen. Die Toten sind uns ebenso willkommen wie die Maschinen,
okay?«
Dee weiß nicht viel über die Toten. Früher
einmal, als sie noch neu war, hat sie gemeint, sie könne die
Toten, wenn sie das Ohr an die Wand legte, sich munter in toten
Sprachen unterhalten hören. Doch das war bloß das
Rauschen der Maschinen, der Hardware, des Marks in den kalten
Knochen der Stadt.
Das hatte jedenfalls ihr Besitzer ihr mit einem beinahe
freundlichen Lachen erklärt. In barscherem Ton hatte er
hinzugefügt: »Die Toten sind nicht mehr da. Und sie
kommen auch nicht wieder. Die meisten jedenfalls… ach,
vergiss es!«
Und sie hatte gehorcht.
Sie ist sich nicht sicher, ob sie sich über Tamaras
Spekulationen ärgern soll, aber schließlich sind sie
bloß Ausdruck der menschlichen Beschränktheit: In
gewisser Weise macht Tamara, wenn sie glaubt, die Maschinerie,
die so lebendig wirkt, müsse zumindest tot sein, den
gleichen Fehler wie damals sie selbst, als ihr Gehirn gerade zu
arbeiten begann.
Daher lächelt sie Tamara selbstgefällig an und sagt:
»Du kannst meinen Kopf scannen, wenn du magst, und dich
vergewissern.«
»Angenommen, dein Körper ist eine Kopie? Ein
Klon?«
Daran hat Dee noch nicht gedacht, und die Vorstellung
erschüttert sie stärker, als sie zeigen möchte.
Sie zuckt die Achseln. »Das wäre
möglich.«
»Siehst du«, sagt Tamara. »Dann würde
der Vorfall mit dem Mann auf einer Verwechslung beruhen. Also
kein Grund zur Besorgnis.«
Sie gibt wieder mehr Gas. Das empörte Quieken der von den
feuchten Simsen gespülten Robben-Ratten folgt ihnen
nach.
»Das war sie nicht«, sagte der Robot, dessen
Tonfall eher einem leise gestellten Radio als einer menschlichen
Stimme ähnelte. »Also vergiss es. Es bringt dir
nichts, wenn du ihr weiter nachjagst. Das war bloß eine
verdammte Maschine.«
Wilde war durch den Tunnel zurückgestapft, hatte sich
beim Barkeeper entschuldigt, die entstandenen Schäden
bezahlt und einen steifen Drink, ein großes Bier und eine
Portion gegrillten Fisch bestellt. Der Robot, der sich ihm
gegenüber auf einem Stuhl niederließ, hatte keine
Kommentare herausgefordert.
Wilde wischte sich mit dem Handrücken über den Mund
und funkelte die Maschine an.
»Sie hat nicht ausgesehen wie eine Maschine. Sie hat
ausgesehen wie eine richtige Frau. Sie hat ausgesehen
wie…«
Er stockte gequält.
»Wie ein Klon«, vervollständigte die Maschine
unerbittlich den Satz.
»Aber warum? Warum sie? Wer sollte…?« Er
starrte die unerschütterliche Kapsel an.
»Nein!«
»Doch«, sagte die Maschine. »Er ist
hier.«
2 Steinzeitmenschen
Ich erinnere mich, wie er sich mit den Ellbogen auf den Tresen
des ›Queen Margret Union‹ stützte, auf unsere
Getränke wartete und sagte: »Wir werden es erleben,
Wilde! Wir werden es sehen! Einen einzigen beschissenen Computer,
mehr braucht es nicht, bloß eine Maschine, die
intelligenter ist als wir, und schon
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