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Die Mars-Stadt

Die Mars-Stadt

Titel: Die Mars-Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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Zeitpunkt wiederaufzunehmen, ›den der
Armeerat der Neuen Republik noch festlegen wird‹. Wie sie
sich sehr wohl bewusst waren, verliehen sie auf diese Weise einer
zeitlich unbegrenzten unerbittlichen Terrorkampagne den Anschein
von Legalität. Anschließend traten sie aus der
ehemaligen Fordwerkstatt in Dagenham in das vernichtende Feuer
der wartenden Panzer hinaus.
    Dies war wahrscheinlich der stolzeste Moment in der Geschichte
der britischen Demokratie. Ich wohnte ihm über einen
illegalen irakischen Satellitensender im Keller eines
Unterschlupfes bei und musste mich anschließend
übergeben.
     
    Eigentlich hätte ich arbeiten sollen; es gab ständig
einen neuen Artikel ins Netz zu stellen, einen Freund oder Gegner
zu kontaktieren, oder eine Milizeinheit, über deren
Schicksal ich mir Gewissheit verschaffen musste; stattdessen
hackte ich die Gefallenenlisten der Deutschen und suchte nach
einem Namen, den ich nicht finden wollte. Die Israelis hatten
ihre Langstreckenraketen mit taktischen, nicht mit strategischen
Atomsprengköpfen bestückt. Selbst in Berlin gab es
unerwartet viele Überlebende. Man sollte die Hoffnung
niemals aufgeben…
    Das Telefon klingelte.
    »Dad?«
    »Eleanor!«
    »Ja. Wie geht es euch?«
    Ich fühlte mich, als wäre ich soeben von den Toten
auferstanden.
    »Uns geht’s gut, ach, mein Gott, und
dir?«
    »Ich hab ein paar furchtbare Dinge gesehn, aber sonst
geht’s mir gut. Colin auch. Wir sind am Flughafen.«
Sie lachte. »Wie du gesagt hast. Tut mir Leid, dass ich
mich verspätet habe. Mein Flieger geht in zehn Minuten und
sollte eigentlich schon um 15 Uhr 45 starten.«
    Es war viertel nach zwei am Morgen. Ich sagte, ich werde sie
abholen. Als sie aufgelegt hatte, rief ich sogleich Annette
an.
    »Kannst du gefahrlos zum Flughafen fahren?«,
fragte sie, nachdem wir uns wiederholt voller Freude und
Erleichterung versichert hatten, wir hätten die Hoffnung
niemals aufgegeben.
    Ich zuckte die Achseln. »Ich stehe auf keiner
Fahndungsliste. Der Mob ist unter Kontrolle. Sieht so aus, als
wär’s sicher.«
    »Da, wo du bist, bestimmt«, meinte Annette
sarkastisch. »Einige aus der Bewegung…«
    »Ja, ich weiß«, sagte ich. Sie hatten sich
mit dem Widerstand eingelassen. Einige waren festgenommen oder
erschossen worden. Andere – darunter gewisse Schutzfirmen
und Milizen, auf die ich Einfluss nehmen konnte – hatten
sich herauszuhalten versucht, waren aber gegen ihren Willen in
Kämpfe mit den Yanks verwickelt worden. Ich redete nicht
gern darüber, nicht einmal über eine sichere
Verbindung. »Die Liste mit Nachrichten und Artikeln, in
denen ich sie auffordere, ihren Widerstand aufzugeben, ist immer
noch so lang wie mein Arm«, fuhr ich fort, »und
deshalb…«
    »Jedenfalls«, sagte Annette mit plötzlicher
Entschlossenheit, »kannst du dich nicht ewig verstecken.
Ich hol dich in einer Viertelstunde ab. Am Broadway bei der
Ampel. Wie üblich.«
    Sie war in Acon, nicht zu Hause, aber auch nicht in einem
Versteck.
    »Gut, bis dann, mein Schatz.«
    Ich packte meine Sachen zusammen, verwischte die Spuren, und
als der Keller wieder aussah wie das Schlupfloch eines
gewöhnlichen Computerfreaks, kletterte ich die
Aluminiumleiter hoch und trat aus einem unter der Treppe
befindlichen Schrank in die Diele meines Gastgebers. Der muffige
Geruch war der eines Hauses, in dem sich seit langer Zeit
außer der Briefkastenklappe, dem Thermostaten und den
Reinigungsmaschinen nichts mehr bewegt hatte. Ich legte einen
Umschlag mit ein paar Goldmünzen auf den Schirmständer
und trat auf die Straße.
    Das Haus lag in einer Straße hinter dem Ealing Broadway.
Die Walnussbäume lagen wie Seeminen im Haven Green. Es
nieselte ein wenig. Ich erinnerte mich an ein Graffiti aus der
Zeit von Tschernobyl: Das ist kein Regen, das ist Fallout. Ich stellte den Kragen hoch und schritt eilig aus. Vor dem
Eingang zur U-Bahnstation standen Polizisten –
republikanische Gardisten zu meinem Erstaunen. Ich schaute nicht
hin.
    Ich überquerte den Broadway, entfernte mich von einer
Ampel und näherte mich der nächsten. Im Odeon lief Die blauen Teufel; das Plakat zeigte einen ergrauten
Veteranen, dargestellt von Reeves oder Depp, das habe ich
vergessen, der einem peruanischen Bauern ein Bajonett an die
Kehle hielt.
    Ich wandte mich um, machte ein paar hundert Meter entfernt im
spärlichen Verkehr Annettes schwarzen Volvo aus und
schlenderte ihm entgegen,

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