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Die Mars-Stadt

Die Mars-Stadt

Titel: Die Mars-Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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während sie an den Bordstein fuhr.
Ich öffnete die Wagentür und stieg ein. Man musste
aufpassen, dass man nicht jemandem den Schock seines Lebens
versetzte.
    Wir lachten, und sie beschleunigte an der Ampel.
    »Alle wohlauf?«, fragte ich.
    »Alle, die wir kennen«, antwortete sie
gepresst.
    »Erzähl mir später von den Genossen«,
sagte ich. »Wir werden tun, was in unserer Macht
steht.«
    Sie nickte, konzentrierte sich auf die Straße und die
Anzeige des Verkehrsmelders. Unsere Route führte über
die Uxbridge Road bis kurz hinter Southall, dann scharf nach
links über den Parkway nach Heathrow.
    »Was ist auf der Great West Road los?«
    »Ein Truppentransport«, brummte sie.
    In Hanwell, einem Wohnviertel der Mittelklasse, war es ruhig.
In Southall, einem fest in republikanischer Hand befindlichen
Viertel mit asiatischen Einwanderern, sah man zahlreiche
geplünderte Geschäfte.
    »Was ist hier passiert?«
    »Ein Mob aus Hayes«, antwortete Annette. Wir
überquerten den Grand Union Canal. Die Fabriken von Hayes zu
unserer Rechten waren von den Yanks mit ferngesteuerten
Splitterbomben zerstört worden. Ich muss zugeben, dass mich
das mit einer gewissen düsteren Genugtuung erfüllte:
Das Gebiet war seit Jahren eine rassistische, imperialistische
Bastion gewesen. Sogar die Trotzkisten hatten aufgehört,
ihre Wochenzeitschrift an den weißen Abschaum verkaufen zu
wollen.
    »Irgendwann wendet sich das Blatt auch
wieder.«
    »Eine bittere Lektion«, meinte Annette.
    In jedem Park, an dem wir vorbeikamen, gab es schwarze
Kuppelzelte, getarnte Flugzeuge, schwarze Helikopter. Als wir uns
dem Flughafen näherten, wurden die schwarz uniformierten
US/UN-Soldaten zahlreicher. Straßensperren waren
unnötig – die Identitätsscanner waren
wirkungsvoller. Von den Laserblitzen blinzelte man, jedoch immer
zu spät: Der Iris-Scan war in Mode.
    Heathrow sah aus wie eine Szene aus dem zwanzigsten
Jahrhundert. Es flogen nur die, die unbedingt mussten:
Flüchtlinge aus Kriegsgebieten, verwundete Soldaten und
Zivilisten, verzweifelte Emigranten. Eine ganze Dritte Welt
voller Menschen wartete auf Flüge, auf ein Durchkommen, auf
den Tod; und es gab eine Zweite Welt der Beamten und Offiziere,
die sie herumkommandierten. Inmitten dieses Chaos bestand die
Erste Welt aus Freiwilligen, die anderen zu helfen versuchten,
und Geschäftemachern, die sich selbst zu helfen versuchten.
Zu jedem Wartesaal gehörten Lazarette und Händler;
jeder Flugsteig hatte seine unbezahlten Berater, Rechtshaie und
Erste-Hilfe-Teams.
    Als wir am internationalen Terminal ankamen, stellte sich
heraus, dass der Flug aufs Inlandterminal umgeleitet worden war.
Die Laufbänder waren verstopft von frisch gelandeten
Soldaten und ihrem Gepäck. Der Wechsel von einem Terminal
zum anderen hatte Ähnlichkeit mit der Brownschen
Molekularbewegung in einem dichten Gasgemisch. Die Zeit dehnte
sich, blieb stehen und verstrich unbemerkt. Annette und ich
klammerten uns aneinander und kämpften uns durchs
Gewühl.
    Als Eleanor und Colin Stunden später endlich aus dem
Strom der Ankömmlinge auftauchten, waren wir ebenso
mitgenommen und abgerissen wie sie. Nachdem wir uns umarmt,
geweint und geredet hatten, machten wir kehrt und kämpften
uns nach draußen durch. Wir erreichten den Wagen, bezahlten
die Parkgebühr, bezahlten einem Straßenhändler
einen unverschämten Preis für heißen Kaffee und
fuhren nach Haus. Es war zehn Uhr morgens.
    Ich fuhr: Annette war erschöpft, ich ganz aufgedreht vor
Erleichterung.
    Als ich an der Kreuzung auf die M4 abbog, blendete mich ein
rubinroter Laserstrahl. Während ich gegen das Nachbild
anblinzelte, wurde ich von einer Taschenlampe geblendet, die uns
an den Straßenrand winkte. Auf dem Gehsteig standen
fünf Soldaten mit schwarzen Uniformen und M-16-Gewehren. Ich
schaltete das Autotelefon ein und hielt an, schenkte den anderen
ein hoffentlich beruhigendes Lächeln und stieg aus. Andere
Autos fuhren im Schritttempo vorbei. Die Insassen sahen
bemüht weg. Ich legte die Hände aufs Wagendach und
bewegte mich seitlich zur anderen Seite.
    Man tastete mich am Kragen ab, an der Brust, an den Beinen und
im Schritt. Dann packte mich jemand bei der Schulter, drehte mich
um und stieß mich mit dem Rücken gegen den Wagen. Ich
erstarrte im Licht der Taschenlampe und hob die Hände.
Hinter mir vernahm ich durch ein spaltweit geöffnetes
Fenster Annettes ruhige, eindringliche

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