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Die Mars-Stadt

Die Mars-Stadt

Titel: Die Mars-Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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mich für die rüde Art und Weise
entschuldigen, mit der wir sie hierher gebracht haben.« Er
lächelte entschuldigend und hob leicht die Schultern, als
wollte er die Verantwortung leugnen. Er war alt, älter als
ich – wenngleich er die bessere Behandlung genossen hatte
– und wirkte aufgrund seines welligen, gelblich-grauen
schulterlangen Haars wie ein Richter oder einer der
Würdenträger aus dem achtzehnten Jahrhundert, die auf
den Porträts dargestellt waren. »Ich hoffe, Sie wurden
ansonsten anständig behandelt?«
    Ich blieb stehen und sagte: »Kidnapping bezeichne ich
als Misshandlung, Sir. Ich verlange eine Erklärung und
wünsche augenblicklich mit meiner Familie und meinem Anwalt
zu sprechen.«
    Ein anderer Mann beugte sich ins Licht vor, stützte die
Ellbogen auf den Tisch und ergriff das Wort. »Das kommt
nicht infrage. Das Land steht unter Kriegsrecht, außerdem
wurden Sie nicht festgenommen.«
    »Gut«, sagte ich. »Dann gehe ich
jetzt.«
    Ich wandte mich zur Tür um.
    »Halt!«, sagte der erste Mann, eher warnend als
drohend. »Einen Moment, bitte.«
    Das klang schon besser. Ich drehte mich um.
    »Selbstverständlich steht es Ihnen frei zu
gehen«, fuhr der Mann fort, »doch in diesem Falle
könnten allein wir für Ihre Sicherheit garantieren. Wir
bitten Sie lediglich, uns anzuhören.«
    Das bezweifelte ich, doch es wäre töricht gewesen,
es darauf ankommen zu lassen. Außerdem hatte ich dringend
einen Kaffee nötig.
     
    Es handelte sich um einen Ausschuss der so genannten
Restaurationsregierung. Parlamentarische Abgeordnete,
Beamte… sie nannten keine Namen, und ich versuchte
anschließend auch nicht, sie herauszufinden. Sie sagten
mir, sie wollten die Ordnung und die Zivilverwaltung
wiederherstellen.
    »Die Republik ist tot, Mr. Wilde. Es bleibt uns keine
andere Wahl, als über längere Zeit hinweg sinnlosen
Widerstand zu leisten und eine schmerzhafte Besetzung zu erdulden
– oder aber wir versuchen, zu einer vernünftigen
Regelung zu gelangen.«
    »Ich kann mir nicht vorstellen, dass die USA das Land
für längere Zeit besetzen würden«, sagte
ich. »In Anbetracht ihrer notorischen Abneigung gegen
Leichensäcke.«
    »Wie viele US-Soldaten haben Sie gesehen?«,
fauchte der zweite Mann. »Die sitzen alle in Bunkern und
bedienen ihre Telepräsenz-Ausrüstungen. Glauben Sie
mir, Amerikas Dritte-Welt-Kunden haben genügend Soldaten,
die sie den UN zur Verfügung stellen können. Für
die Bewahrung der inneren Sicherheit wurden sie ausgebildet und
werden sie bezahlt. Über die kläglichen Bemühungen
unserer landeseigenen Guevaras lachen die bloß.
Täuschen Sie sich ja nicht – die Vereinigten Staaten
– die Vereinten Nationen – meinen es diesmal
ernst. Man wird nie wieder zulassen, dass irgendein Land einen
Krieg beginnt. Man wird die atomare Entwaffnung gewaltsam
durchsetzen.«
    Speicheltröpfchen benetzten die Landkarten. Ich
hätte mich nicht gewundert, wäre sein rechter Arm
hochgeruckt. Offenbar war ich zurückgezuckt. Der langhaarige
Mann hob die Hand, weicher Bulle nach hartem Bullen.
    »Wir wissen ebenso gut wie Sie, dass eine
Großmacht, wie die USA sie werden wird, unmöglich die
ganze Welt verwalten kann. Sie überwachen auf einer sehr
hohen Ebene hingegen schon. Aber während einige Mächte
sich über das Nationale erheben, sinken anderen zu lokalen
Gemeinwesen herab. Uns bietet sich die Gelegenheit, Autonomie und
Vielfalt zu fördern. Wir sollten sie ergreifen und unserem
Land jahrelange Leiden ersparen.«
    »›Wir‹?« Ich blickte mich um.
»Ich habe nichts mit Ihnen gemeinsam. Was wollen Sie von
mir?«
    »Ein Geschäft abschließen, Mr. Wilde. Eine
Vereinbarung treffen. Wir binden so viele regionale und
politische Führerpersönlichkeiten wie möglich ein.
Sie sind zufällig der Erste.«
    »Und was wollen Sie ihnen anbieten?«
    »Wenn Sie das Königreich – in der Praxis
– als nationale Autorität akzeptieren, bekommen Sie in
den von Ihren Anhängern kontrollierten Gebieten Autonomie
zugestanden.«
    »Ich habe keine Verhandlungsvollmacht…«
    »Aber gewiss doch. Sie verfügen über Einfluss.
Sonst hätten die jüngeren Hitzköpfe längst zu
den Waffen gegriffen. Außerdem wissen wir, dass Ihre
Pläne weiter gefasst sind, als Ihre öffentlichen
Äußerungen vermuten lassen…«
    »Wie kommen Sie denn darauf?«
    Er lächelte. »Das schließen wir aus dem
Umfang des verschlüsselten Nachrichtenverkehrs,

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