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Die Marsfrau

Die Marsfrau

Titel: Die Marsfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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Ein schönes Frauenantlitz! Die Jochbeine
waren breit ausgelegt Die Dunkelfärbung betonte den
verhältnismäßig kleinen Mund. Die hellen Augen
kontrastierten zum Teint und bildeten so das Markanteste
dieses Gesichts, zumal sie beträchtlich groß waren. Lange,
ursprünglich blonde Haare umgaben dieses Gesicht, Haare,
völlig verschmutzt und verfilzt.
Da sie eine ganze Weile stand und ihn betrachtete, begann
sich bei Mac langsam die Starre zu lösen.
Als er „Hallo!“ sagte – mit heiserer Stimme –, erlosch ihr
einfältiges Lächeln. Es schien, als lausche sie.
Mac gewahrte die Kratzer und Schrammen an ihren Füßen
und Beinen. Auch die anderen Körperteile, soweit sie unter
dem Schmutz sichtbar wurden, zeigten Spuren von Dornen
oder scharfem Gestein.
Plötzlich wandte sie sich ab, verschwand mit ausgebreiteten
Armen hinter den Felsen. Durch das Rauschen des Regens
klang es wie glucksendes Lachen.
Mac rief: „Halt, so bleib doch hier!“ Als er um den Felsen
bog, sah er sie unbekümmert ihren Weg fortsetzen, in der
gleichen Weise, wie sie gekommen war.
Sie schaute sich kein einziges Mal nach Mac um. Er lehnte
betroffen an dem Stein, unfähig, ihr zu folgen.
Nur zögernd, widerwillig, kam ihm die Erkenntnis, gepaart
mit einer tiefen Enttäuschung: Sie ist irr!
Aber kaum gedacht, verwarf er den Gedanken sofort. Ja, er
klammerte sich förmlich an sein Gegenargument: „Mac“, sagte
er sich, „du weißt nichts, gar nichts von ihr, weißt nicht, wer
sie ist, woher sie kommt. Das musst du ergründen. Ist sie
wirklich ein Mensch?“
Obwohl – mit Ausnahme der Hautfärbung natürlich – sie
äußerlich einem Menschen aufs Haar glich, wäre Mac die
rückhaltlose Bejahung der Frage doch schwergefallen.
Im nächsten Augenblick würde die grüne Frau seinem Blick
entschwinden. Mac konnte sich nicht entschließen, ihr zu
folgen. Einmal blieb sie längere Zeit stehen und strich sich den
Schmutz vom Körper. Zurück sah sie nicht.
Macs Gedanken überstürzten sich, und er konnte sie nicht
ordnen. Einige Male kam ihm der riesige Moosbatzen unten
auf dem Grund des Cañons in den Sinn, Leben, das hier
entstand, das durch die Rekultivierung aus Jahrtausende
währender Ruhe neu erwachte – oder trotz der Unwirtlichkeit
des Planeten sich stets erneuerte? Sollte, konnte da nicht
auch…? Aber das schien dermaßen absurd und widersprach
allen wissenschaftlichen Erkenntnissen so gründlich, dass Mac
den Gedanken nicht zu Ende dachte.
Dort, wo Mac stand, bildete der Felsen einen Überhang. Mac
ließ sich die Wand hinabrutschen bis in den Sitz. Die Frau
entschwand, 200 bis 300 Meter entfernt.
Mac schlug den Weg zur Station ein. Er schritt langsam,
stierte in den Schlamm zu seinen Füßen. Ab und an drehte er
sich um und musterte scharf das Hügelland. Aber nichts
bewegte sich dort. Macs Gedanken kreisten unentwegt um
dasselbe Problem, kreisten. –
    Allan Nagy lag quer auf seiner Liege, ein Bein auf dem
Fußboden. Er befand sich in jenem Zustand, in dem der
Mensch die Gedanken, meist unerfreuliche, ungezwungen und
wirr im Kopf umherirren lässt, in einem Zustand auch, der
lähmt, Initiativen hemmt und trist ist.
    Einen Augenblick besann er sich auf seine Fähigkeiten, sich
im autogenen Training die notwendige Ruhe zu suggerieren.
Aber dann fragte er sich, wozu das? Und irgendwie gefiel er
sich minutenlang in der Rolle eines von der Welt
Unverstandenen. Und noch etwas bohrte da, stärker als sonst:
Einmal würde er mit sich und diesem unerfreulichsten
Abschnitt seines Lebens ins Reine kommen müssen

vielleicht gleich? Warum nicht gleich!
    Erstaunt nahm Allan Nagy wahr, dass zunächst freundliche
Bilder, Sehnsucht auslösende, in seine Erinnerung flossen,
plastisch, farbig, beinahe zum Greifen… Bilder, die ihm –
uneingestandenermaßen – Lebensinhalt gaben, wenn er,
körperlich müde zwar, aber geistig unausgelastet, in seinem
kleinen Appartement lag, vor allem an den langen sibirischen
Winterabenden. Weder seine Kunstdrechselei noch das Klönen
mit den Kollegen oder die Treffen mit Wera, der impulsiven,
fröhlichen Zootechnikerin, oder mit der spröden, spöttischen
Theres, die niemanden für voll nahm, sich inbegriffen, und die
offenbar die Fähigkeit besaß, sich neben sich zu stellen und
gleichsam von außen zu betrachten, waren im Stande, ihn dann
abzulenken.
    Nun gaben diese Begegnungen nicht mehr die rechte Freude,
und er wünschte Ereignisse herbei, die eine Wende in dieses
Leben brächten. Bahnte

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