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Die Masken des Morpheus

Die Masken des Morpheus

Titel: Die Masken des Morpheus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Liebe ist wie der Feuerkristall, Arian, es sieht durch die äußere Hülle hindurch.«
    Er schnaubte. »Du wärst sicher enttäuscht, wenn du das bei mir versuchen würdest. Ich bin kein Casanova, der die Herzen schöner Frauen höher schlagen lässt.«
    »Du?« Sie lachte. »Ganz bestimmt nicht! Als ich Giacomo das letzte Mal begegnete, war er bereits ein alter Mann. Er geht inzwischen hart auf die siebzig zu.«
    »Du kennst den berühmten Schriftsteller und Abenteurer?«
    Sie zuckte die Achseln. »Das zu behaupten wäre vielleicht übertrieben. Mein Vater hat ihn gut gekannt, weil Giacomo einer von uns ist, ein Changeur. Ich traf ihn zuletzt zusammen mit Mozart bei der Uraufführung des Don Giovanni in Prag. Da war ich elf und die beiden beachteten mich überhaupt nicht.«
    Arian blieb fassungslos stehen. »Wolfgang Amadeus Mozart ist auch ein Swapper?«
    Sie lief weiter. »Nicht mehr. Mortimer hat sich vor anderthalb Jahren mit ihm verschmolzen.«
    »Aber der Musikus war ein Körpertauscher?«
    »Ja. Unsere Väter lernten ihn während seiner Zeit als Konzertmeister in Salzburg kennen. Tobes hat Wolfgang dazu überredet, sich uns anzuschließen. Er soll zu ihm gesagt haben: ›Stiehlst du anderen den Körper, magst du ewig leben, durch deine Musik hingegen wirst du unsterblich sein.‹«
    Arian setzte sich wieder in Bewegung, um sie nicht zu verlieren. »Bist du sicher, dass wir hier richtig sind?«
    Sie deutete den Strand hinauf. »Ich glaube, da vorne ist es.«
    »Was?«
    »Die Stelle, wo der Fischer mich abgesetzt hat.«
    »Ich sehe nichts.«
    »Nimm die Augenbinde ab.«
    Arian streifte das Tuch vom Kopf. Tatsächlich zeigte ihm der Feuerkristall nun deutlich einen großen Schatten, der ein Stück weiter unten am Strand lag. Von dem Fischer fehlte jede Spur. »Kann man diesem Mann trauen?«
    »Etliche von uns verdanken ihm ihr Leben. Ohne ihn und sein Boot hätten sie nie rechtzeitig vor Mortimer nach England fliehen können.«
    Er kniff das rechte Auge zu und blickte durch den Kristall zu den Klippen hinauf. Der wundersame Stein tauchte die ganze Umgebung in ein rotes Dämmerlicht. »Dann hoffe ich, wir finden ihn, ehe uns die berittenen Küstenwächter entdecken.«
    Im Näherkommen schälten sich Konturen aus dem wuchtigen Schatten. Es war ein kleines Segelboot, wie es die Küstenfischer zu benutzen pflegten.
    »Und wo ist nun dein Seemann?«, fragte Arian.
    Jäh fuhr eine Gestalt aus dem Boot wie ein Jack-in-the-Box – ein Schachtelteufel – und zischte: »Hier ist er und seid gefälligst leise.«
    Mira stieß vor Schreck einen spitzen Schrei aus.
    Arian ließ die Segeltuchtasche fallen und packte seinen Spazierstock mit beiden Händen. Ohne nachzudenken drehte er Knauf und Schaft in entgegengesetzte Richtungen und zog sie auseinander. Plötzlich hielt er einen Degen in der Rechten, ganz ähnlich der Waffe, mit der ihn Sir D’Arcy verletzt hatte. Er war von der Entdeckung einigermaßen überrascht. Der Reflex, der die Klinge zutage gefördert hatte, musste ein Seelenecho von Turtleneck gewesen sein.
    »Was soll das, Mira?«, beschwerte sich der Fischer. »Wer ist dieser Hitzkopf?«
    »Ein Freund«, antwortete sie leise und deutete auf ihren Begleiter. »Das ist kein Geringerer als Arian, der Sohn von Tobes Pratt.« Ihr Arm schwenkte herum. »Und dieser tapfere Seebär ist Paul Piscatorius.«

    Als Paul die Sturmlampe anzündete, begann seine Gestalt im Feuerkristall zu flackern, wie eine Wolke über einem Scheiterhaufen. Arian meinte einen Augenblick lang in dem halb durchsichtigen Gebilde eine andere Person auszumachen. Sie war schmächtig, fast zwergenhaft und bei Weitem nicht so kräftig gebaut wie der bärtige Fischer. Einen Tierkopf konnte er an der flüchtigen Erscheinung nicht sehen.
    »Ich kenne dieses Gesicht. Das rote Auge«, keuchte der Seemann und zeigte mit zitternder Hand auf Miras Begleiter. Ihm war beim Anblick des Narbengesichts sichtlich der Schreck in die Glieder gefahren.
    Arian zog den Mundwinkel schief. »Ich hätte mir auch gewünscht, diese Reise in einer weniger auffälligen Hülle anzutreten.«
    »Aber warum ausgerechnet Turtleneck?«
    »Er hat Mira bedroht. Um sie zu retten, musste ich ihm den Körper stehlen.«
    Der Fischer ließ den Arm sinken und fuhr sich mit den Fingern verlegen durchs dichte dunkle Haar. »Dann muss ich dir danken. Miras Vater war mein Freund. Am liebsten hätte ich die Kleine nach London begleitet, als ich sie neulich übergesetzt habe und sie mir von

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