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Die Masken des Morpheus

Die Masken des Morpheus

Titel: Die Masken des Morpheus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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ihren Plänen erzählte. Wir leben in unruhigen Zeiten. Da sollte ein Mädchen nicht alleine reisen.«
    Sie schmunzelte. »Wie du siehst, Paul, bist du nicht der einzige Ritter, der über mich wacht.«
    Er schnaubte. »Du wirst mehr brauchen als einen Einäugigen mit Degen, um dich gegen Mortimer zu behaupten. Willst du es dir nicht noch mal überlegen und in England bleiben?«
    »Nein. Wir müssen den Kanal überqueren. Aber sei unbesorgt. Frankreich ist nur eine Zwischenstation.«
    Pauls dichte Augenbrauen hoben sich. »So? Wo soll’s denn hingehen?«
    »Das wissen wir noch nicht«, kam Arian dem Mädchen zuvor. Gerne hätte er Miras Vertrauen in den Fischer geteilt, doch der Mann war im wahrsten Sinne des Wortes zu undurchsichtig für den Feuerkristall. Immer wieder flackerte die zwergenhafte Gestalt durch die gläserne Hülle des Seemanns. Was bedeutete das nur?
    »Wenn ich euch die Reise nicht ausreden kann, dann kommt schnell an Bord. Wir sollten sehen, dass wir vor Sonnenaufgang drüben sind. Das Umland von Calais ist wie ein reifer Apfel, den halb Europa am liebsten pflücken würde. Deswegen kontrollieren die Franzosen die Kanalküste täglich strenger.«
    Während Paul die Sturmlampe an den Bug der Möwe hängte und danach die an einem Stein befestigte Leine losmachte, warf Arian das Gepäck seiner Reisegefährtin ins Boot und half ihr selbst hinein. Dabei achtete er darauf, Miras Hand möglichst lange festzuhalten, was ihm nicht unangenehm war.
    »Warum traust du Paul nicht?«, flüsterte sie.
    Er zuckte mit den Schultern.
    »Liegt es an dem Kristall? Was zeigt er dir?«
    »Ein unstetes Männlein.«
    »Und was schließt du daraus?«
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht ist sein Wesen innerlich gespalten.«
    »Alles in Ordnung?«, fragte der Seemann. Er nutzte gerade eine größere Welle, um das Boot ins tiefere Wasser zu schieben.
    Mira nickte. »Das hoffe ich, Paul. Ich hoffe es sehr.«
    Er brummte etwas in seinen schwarzen Bart und schwang sich übers Dollbord. »Ihr zwei bleibt hier vorne und fasst nichts an. Ich verzieh mich ans Ruder und bring die Möwe auf Kurs.«
    Der Fischer beherrschte sein Handwerk. Binnen Kurzem hatte er Segel gesetzt und den Wind eingefangen. Beinahe so schnell wie die Seevögel, denen das Boot seinen Namen verdankte, schoss es auf den Wogen dahin. Paul wirkte dabei eher leblos. Wie versteinert saß er im dunklen Heck, die rechte Hand an der Ruderpinne, die linke hielt die Schoten – die Leinen zum Ausrichten der Segel.
    Als man sie von der Küste aus nicht mehr hören konnte, drehte sich Arian zu ihm um. »Hast du meinen Vater gekannt, Paul?«
    Der Gefragte ließ sich viel Zeit mit der Antwort. Als er endlich dazu anhob, klang seine Stimme so brummig wie die eines alten Walrosses. »Nicht von Angesicht zu Angesicht. Was ich von ihm weiß, habe ich von Baladur, der mit ihm eng befreundet war. Er bewunderte ihn wegen seiner Selbstlosigkeit, dafür, dass er andere höher achtete als sich selbst. Ohne ihn hätte ich dem ewigen Leben niemals abgeschworen.«
    »Du meinst der Seelenräuberei.«
    »Wenn du es so nennen willst.«
    »Und Mortimer?«
    Der Fischer zögerte. »Was ist mit ihm?«
    »Bist du ihm auch schon mal begegnet?«
    »Ich ziehe es vor, ihm und seinen Spionen aus dem Weg zu gehen.«
    »Ist das der Grund, warum du so abweisend bist? Weil du mir nicht traust?«
    Paul schnaufte. »Hör mir zu, Arian. Ich kenne dich nicht und du kennst mich nicht. In jüngster Zeit hört man immer öfter, dass Mortimers Spitzel die freien Swapper unterwandern. Finden sie einen von uns, gibt es für ihn nur zwei Möglichkeiten: Tod oder absolute Unterwerfung. Nimm es mir also nicht übel, wenn ich dir nicht mein Herz ausschütte.«
    Arian wandte sich wieder um und blickte aufs wogende Meer hinaus. »Einen netten Freund hast du da«, flüsterte er einige Herzschläge später.
    »Warst du schon einmal in Paris?«, antwortete Mira.
    Er sah sie überrascht an. Im Widerschein der Sturmlaterne war ihr blasses Gesicht überirdisch schön. »Ich … äh … bin viel in Frankreich herumgekommen, als ich noch mit dem Puppenspieler Kord durch Europa zog.« Hätte er mich bei deinen Eltern abgeliefert, wären wir heute wie Bruder und Schwester.
    »Und in der letzten Zeit? Ich war als Kind mehrmals in der Rue du Faubourg du Temple Nummer 16. Du kennst die Adresse?«
    »Natürlich. Das Amphithéâtre Anglais war dort. Es gehörte meinem Ziehvater. Wir mussten es 1789 nach dem Sturm auf die Bastille

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