Die Masken des Morpheus
jetzt darauf?«
»Ich will Sie nur warnen. Es heißt, Morpheus töte jeden Metasomen, der ihm den Gehorsam verweigert.«
Mira runzelte verdrießlich die Stirn. »Selbst wenn dem so wäre, ist er doch kein Ungeheuer. Ein Engel ist er zwar auch nicht, aber Sie unterstellen ihm, die eigene Art ausrotten zu wollen. Das passt nicht zu ihm.«
»Wie alt sind Sie, Mademoiselle?«
»Siebzehn.«
»Und dann glauben Sie, eine Person zu kennen, die seit Jahrtausenden lebt?«
Mira reckte das Kinn. »Die gleiche Frage könnte ich Ihnen ebenso stellen, Monsieur.«
»Ich weiß aus zuverlässiger Quelle, dass Morpheus durchtriebener ist, als sich irgendeiner von uns vorzustellen vermag.«
»Ach!«, schnappte sie. »Und wer ist diese … Quelle?«
Arian schmunzelte. Es gefiel ihm, wie sie dem Schönling Paroli bot.
Tarins Kiefer mahlten. Schweigend hielt er ihrem bohrenden Blick stand. Plötzlich erscholl über den Baumwipfeln ein heller Schrei, der wie Gelächter klang. Sein Kopf ruckte nach hinten.
Mira sah ebenfalls nach oben. »Was war das?«
»Nur eine Kornweihe«, antwortete Arian. Auf seinen früheren Reisen hatte er diese Greifvögel oft beobachtet.
»Sind Sie sicher?«, fragte Tarin.
»Nein. Es könnte auch eine Rohrweihe gewesen sein.«
»Oder einer von Mortimers Hilfsspionen. Es heißt, er habe die Macht, jeden Menschen in ein Tier zu verwandeln.«
»Das trifft nur auf seinen jüngsten Sohn Pan zu.« Hätte Arian nicht erst vor zwei Tagen im Stall seines Ziehvaters eine Begegnung mit einem erstaunlich gesprächigen Papagei gehabt, wäre ihm Tarins Sorge reichlich übertrieben vorgekommen. So aber hielt er nun ebenfalls nach dem Greif Ausschau. »Glauben Sie wirklich, er lässt uns von Vogelwesen suchen?«
»Das hängt davon ab, wen er jagt.«
Arian sah wieder den Deutschen an. »Sie denken dabei an mich? Was ist denn mit Ihnen, Monsieur? Sind Sie ein Swapper?«
»Sie meinen ein Tauscher?« Tarin schüttelte den Kopf. Die Frage bereitete ihm offenkundig Unbehagen. »Meine Mutter ist mit diesem Fluch gestraft. Glücklicherweise hat sie ihn mir nicht vererbt.«
»Was wollen Sie von Arian Pratt?«
»Reden Sie von Tobes’ Sohn? Ich höre zum ersten Mal, dass er Arian heißt. Dann kennen Sie ihn also tatsächlich?«
»Kann man so sagen«, knurrte Arian. Am liebsten hätte er sich die Zunge abgebissen. »Warum suchen Sie ihn?«
»Er muss diesem Wahnsinn ein Ende machen. Vor wenigen Tagen erst erzählte mir ein Freund, Mortimer Slay habe sich Morpheus unterworfen und zum Dank das Kommando über die Schwarzen Wölfe erhalten.«
»Wer behauptet das?«, entfuhr es Mira.
»Jacques Rochelais, ein Fischer, dessen Kate in den Dünen steht. Er wollte mich nach England übersetzen. Wir hatten uns für heute Nacht in seinem Haus verabredet. Er war aber nicht da. Ich suchte ihn und fand ihn schließlich zusammen mit den Schwarzen Wölfen bei deren Pferden. Das heißt, er war wohl nicht mehr er selbst. Ich fürchte, einer von Morpheus’ Tauschern hat ihm den Körper gestohlen und ihn umgebracht.«
»Wer sind die Schwarzen Wölfe?«, fragte Arian.
»So nannte man früher Morpheus’ Vollstrecker, die seinen Willen durchgesetzt haben«, erklärte Mira. »Ihren Namen verdanken sie einer Legende. Sie besagt, dass sein treuester Diener mit einem schwarzen Wolf den Körper getauscht hatte, um im Pelz des Jägers einen Feind zu verfolgen und zu töten. ›Wenn ein Mann mir im Leib der Bestie dient, warum nicht auch der Isegrim in der Hülle des Menschen?‹, soll sich der Fürst gefragt haben und zähmte das Tier. Der Bastard besaß angeblich die Fähigkeit, mit den Schatten zu verschmelzen, was ihn so gut wie unsichtbar machte. Das gefiel Morpheus, und er zwang weitere seiner Gefolgsleute, es dem Diener nachzutun. So entstanden die Schwarzen Wölfe.«
Tarin nickte. »Heute sind die meisten von ihnen ehemalige Söldner. Unter den Anführern findet man auch einige Tauscher.«
»Der Feuerkristall hat mir den Mann, den Sie zuletzt getötet haben, als Basilisken gezeigt«, bemerkte Arian.
»Das würde passen«, sagte Mira. »Bei den Kirchenvätern galt der giftige Basilisk als Symbol des Todes und des Teufels.«
»Der Feuerkristall? Ist das der Stein da?« Tarin deutete auf das rubinrote Auge.
»Er zeigt mir das wahre Wesen einer Person«, erklärte Arian. »Leider ist es nicht immer ganz leicht, seine Hinweise zu verstehen.«
»Was sehen Sie denn, wenn Sie mich anschauen?«
»Einen Löwen.«
»Oh!«, machte Mira. Sie
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