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Die Masken des Morpheus

Die Masken des Morpheus

Titel: Die Masken des Morpheus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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den Blick und nickte.
    Mira trat an ihn heran, stellte sich auf die Zehenspitzen, legte ihre Hände an seine Wangen und küsste ihn. Was immer sie ihm damit sagen wollte, sie nahm sich Zeit dafür.
    Arians Herz machte unterdessen wilde Sprünge. Er hatte Turtlenecks Körper bisher eher als Last empfunden, im Vergleich zu seinem eigenen. Und nun das! Dieser knorrige alte Baum prickelte von der Wurzel bis zur Spitze, als habe der Frühlingskuss ihn wiederbelebt. Frische Säfte schossen und trieben neue Knospen. So etwas hatte er noch nie erlebt. Es war überraschend. Und schön! Er wünschte, Miras Lippen würden ewig auf den seinen ruhen. Doch dann war der wunderbare Moment vorbei. Sie ließ ihn los und ging wieder auf Abstand.
    »W-was war das?«, stammelte er.
    Sie lächelte scheu. »Entschuldige. Eine kürzere Berührung wäre zu gefährlich gewesen.«
    »Und … warum hast du mich geküsst?«
    »Weil es mir sehr viel bedeutet, dass du dich so um mich sorgst. Ich habe nie einen richtigen Freund gehabt.«
    »Du hattest Eltern, die dich liebten und großgezogen haben.« Im Gegensatz zu mir.
    »Das ist nicht dasselbe. Für eine Tauscherin ist die Nähe eines anderen Menschen immer mit Gefahr verbunden – ebenso für sie wie für ihn. Bei dir fühle ich mich sicher, seit wir in einem Körper vereint waren.«
    »Was sehe ich da? Zwei Täubchen beim Turteln?«, rief Tarin scherzend. Er schleppte gerade seinen Reitsattel zum Schlafplatz.
    Mira schlug die Augen nieder. »Ich habe mich bei Arian nur bedankt.«
    Er ließ grinsend den Sattel fallen und breitete die Arme aus. »Was muss dieser gut aussehende Mann tun, damit du dich auch bei ihm erkenntlich zeigst?«
    Sie strich ihren Rock glatt. »Fürs Erste höre einfach auf, mich beeindrucken zu wollen. Oder denkst du, ich bin wie diese Mädchen, die Menschen nur nach dem Äußeren beurteilen?«
    »Niemals! Willst du, dass ich mich unansehnlicher mache? Ich könnte mir das Haupt scheren und ein kratziges Büßerhemd anziehen. Wäre ich dann unattraktiv genug für dich?«
    Mira schmunzelte. »Lass dir das Gesicht aufschlitzen, und leg dir ein Glasauge zu, danach reden wir weiter.«
    Er warf theatralisch die Arme in die Höhe. »Verstehe einer die Frauen!«
    Arian gefiel das gegenseitige Necken der beiden nicht. Tarin war ein Bild von einem Mann, der bestimmt jedes Mädchen haben konnte. Warum wies sie ihn nicht entschiedener zurück? Sie hatte doch gerade einen anderen geküsst – ein hässliches Einauge. Seufzend berührte er mit den Fingerspitzen seinen Mund. Miras Lippen waren so sanft gewesen wie eine taubenetzte Rosenblüte …
    Ein Knacken hallte durch den Wald. In seiner Versonnenheit maß Arian dem Geräusch keine Bedeutung zu.
    »Köpfe runter!«, zischte Tarin, zog seine Pistolen unter dem Frack hervor und zielte damit in unterschiedliche Richtungen.
    Arian angelte sich den Stockdegen, der an der Eiche lehnte, und zückte die Klinge.
    »Vielleicht war das nur ein Tier«, flüsterte Mira, die sich sofort geduckt hatte.
    »Ja, ein schwarzer Wolf«, raunte Tarin und deutete mit der Waffe in seiner Linken auf eine Stelle zwischen den Stämmen.
    Arian hatte sich neben Mira auf ein Knie niedergelassen und spähte ins Halbdunkel des Waldes. Als er die umherhuschenden Schatten entdeckte, spannte sich seine Hand unwillkürlich fester um den Degengriff. Im Zwielicht der Dämmerung sah es aus, als erwachten die Bäume zum Leben. Die Schwarzen Wölfe könnten mit der Dunkelheit verschmelzen, hatte Mira erzählt. Vielleicht besaßen sie tatsächlich die Fähigkeit, durch Trug und Verwandlung zu täuschen, so wie die Nachkommen ihres Anführers Mortimer.
    Wohin Arian auch blickte, überall tauchten dunkle Gestalten auf. Und sie kamen näher. »Wenn wir sofort die Pferde satteln …«
    »Zu spät, sie haben uns schon umzingelt«, fiel ihm Tarin wispernd ins Wort. »Als hätten sie den Hinterhalt von langer Hand geplant. Ich schätze, die Kornweihe war doch mehr als ein harmloser Greif. Was hat dir dein allwissendes Auge bei dem Greis vorhin gezeigt?«
    »Der Alte sah aus wie ein zerzauster Rabe. Eine unglückliche, vom Krieg geschundene Seele, dachte ich, vielleicht auch weise wie der Vogel des heiligen Benedikt.«
    »Und geschwätzig. Und schwarz wie die Wölfe von Mortimer. Wir sind verraten worden. Ich sehe eine Menge Flinten. Mit einem Paar Pistolen und zwei Degen richten wir gegen die Kerle nicht viel aus. Das wäre ein guter Zeitpunkt für eine Kostprobe deiner

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