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Die Masken des Morpheus

Die Masken des Morpheus

Titel: Die Masken des Morpheus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Kunst.«
    »Ich lass mir was einfallen«, versprach Arian. Bleib ruhig!, beschwor er seine Willenskraft. Du bist stärker als der Hass.
    »Falls es dir gelingt, sie von uns abzulenken, können wir ihnen vielleicht mit den Pferden entkommen. Aber beeil dich. Die Schlinge zieht sich zu.«
    »Das sehe ich selbst«, knurrte Arian. Das Lampenfieber im Amphitheater seines Ziehvaters war nichts gegen den Druck, den er jetzt spürte. Sollte er es vermasseln, würden sie alle sterben.
    Auch Mira.
    »Jetzt weiß ich, wie wir’s machen«, flüsterte er. In wenigen Sätzen erklärte er seinen Plan.
    »Telebauchreden?«, wiederholte Tarin und zuckte die Achseln. »Na, wenn’s hilft, dann nichts wie los!«
    Plötzlich erscholl ein irres Lachen im Gehölz. Es kam in rascher Folge aus unterschiedlichen Richtungen und klang so unheimlich, als streiften die Töchter des Wahnsinns durch den Wald. Wer immer dort zwischen den Stämmen unterwegs war, er würde sich nun ängstlich nach den Stimmen umdrehen.
    In diesem Augenblick formte Arian die Feuerengel, die mit ihm, Mira und Tarin die Plätze tauschten. Es waren hünenhafte, lodernde Gestalten, groß wie der biblische Goliath, jedes mit sechs mächtigen Schwingen ausgestattet. Die nur aus Geist und Luft geformten Flammenwesen setzten sich in Bewegung. Und dabei teilten sie sich: Aus drei wurden sechs, dann zwölf und schließlich zwei Dutzend Seraphim – es war die schwierigste Illusion, die Arian je geschaffen hatte.
    Den Schwarzen Wölfen fuhr der Schecken in die Glieder. Einige flüchteten hinter Bäume, andere rannten schreiend davon, und manche verharrten wie versteinert auf der Stelle. Lange würden sie sich wohl nicht täuschen lassen. Ihre Kumpane in den Dünen bei Calais jedenfalls hatten die Harmlosigkeit der Gaukeleien schnell erkannt.
    Arian spürte, wie ihm ein paar Zügel in die Hand gedrückt wurden. Mit vierundzwanzig Puppen gleichzeitig zu spielen, hätte auch nicht verzwickter sein können als das Jonglieren mit den Feuerengeln. Ohne den Blick von ihnen zu nehmen, schwang er sich auf den Rücken seines Rappen. Tarin hatte die drei schwarzen Rösser nur gezäumt. Die Sättel mussten sie zurücklassen, ebenso wie Miras Tasche. Ihre Geldbörse trug sie seit dem letzten Überfall der Wölfe am Körper und die Liste mit den Namen der Metasomen hatte sie ins Futter ihres Caracos eingenäht.
    »Folgt mir!«, sagte Arian und drückte seinem Pferd die Fersen in die Flanken.
    Er lenkte es nach Osten, jedenfalls hoffte er das. Die Seraphim in seinem Rücken ließ er in den Himmel emporschießen, und sobald sie durchs Blätterdach entschwunden waren, erschuf er einen Steinwurf voraus neue Engelwesen. Ihre Feuerflügel kreisten wie die von Windmühlen. Die schwarz gekleideten Männer mit ihren Dreispitzen stoben verängstigt auseinander.
    »Halt oder wir schießen!«, rief jemand.
    »Weiter! Schneller! «, feuerte Tarin seine Gefährten an.
    Die Wölfe heulten wütend auf, als bräche tatsächlich die Wildheit von Raubtieren aus ihnen hervor. Eine ganze Salve wurde auf die Fliehenden abgefeuert. Um sie herum schlugen Kugeln dumpf in Bäume ein. Rindenstücke flogen durch die Luft, eines traf Arian am Kopf. Er duckte sich tief über den Hals des Pferdes und lenkte es weg von den Schützen und dem Geschrei. Dabei merkte er, wie ihm die Trugbilder entglitten, und biss trotzig die Zähne zusammen. Es war ein unwirklicher Ritt. Die Fantasiegebilde verlangten seinem Geist alles ab. So versunken, wie er war, hätte sich ein Schlafwandler in dem dunklen Wald besser orientieren können als er.
    Die Meute der Verfolger fiel zurück. Ihre Stimmen wurden leiser und nur noch vereinzelt hörte man das Krachen von Pulverladungen. Als die Gefährten durch eine Senke preschten, wurde es auf einmal totenstill um sie herum. Das Gewehrfeuer war vollends verstummt, von Schwarzen Wölfen nichts mehr zu hören, und sogar die Vögel hatten ihren Gesang eingestellt. Tarin schloss zu Arian auf.
    »Da stimmt was nicht.«
    »Wie meinst du das? Haben wir sie nicht abgehängt?«
    »Doch. Darum geht’s gerade. Es war zu leicht. Da ist was faul.«
    Arian brachte seinen Rappen zum Stehen. Dass er nicht selbst darauf gekommen war! Das roch verdächtig nach …
    Plötzlich fiel ein kleiner, dunkler Schatten aus den Baumkronen herab. Kurz bevor er den Boden erreichte, breiteten sich Schwingen aus, und ein brauner Vogel landete vor den drei Reitern.
    »Was ist das?«, hauchte Mira.
    »Die Kornweihe«, sagte

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