Die Mauern des Universums - Melko, P: Mauern des Universums - The Walls of the Universe
vorsichtig wie möglich, so entschlossen wie …«
John schnitt ihr das Wort ab. »Und Visgrath darf nichts davon erfahren!«
»Oh, welches wirre Netz wir weben«, sagte Henry pathetisch.
»Vor allem musst du dich vorsehen, John«, bemerkte Grace. »Visgrath hält dich für jemanden, der du nicht bist, und wird entsprechend mit dir umgehen.«
»Du hast Recht. Er denkt, ich sei genauso gestrandet wie er und die anderen.«
»Diesen Glauben darfst du nicht erschüttern. Sonst sind wir alle verloren.«
»Ich weiß nicht, wie lange ich dieses Theater durchhalte.«
»Dann geh ihm aus dem Weg«, meinte Henry. »Koste es, was es wolle.«
Nachdem sie Teile und Ausrüstung besorgt hatten, trafen sie sich am nächsten Samstag in Johns alter Fabrikhalle. Eigentlich wären sie heute für die Produktion der Flipperautomaten zuständig gewesen, doch die Vorarbeiterin, Viv, hatte ihre Schicht übernommen.
»Also, erzähl mal, was du schon herausgefunden hast«, sagte Grace. »Und fang ganz am Anfang an.«
John zog das Spektrum hervor, das er vor Wochen ermittelt hatte. Er erläuterte die Strahlung, die das Gerät abgegeben hatte, und seine Schlüsse daraus.
Grace war begeistert. »Cool! Antimaterie!«
Danach zeigte John ihnen seine Zeichnungen vom Äußeren des Geräts. Nacheinander betrachteten sie die Naht an der Seite unter dem Lichtmikroskop. Henry suchte die Oberfläche Millimeter für Millimeter ab, bevor John das Tomogramm auf den Tisch legte und erklärte, wie er die beiden eiförmigen Gebilde im Inneren des Geräts berechnet hatte.
»Das ist genial«, meinte Henry. »Ich wäre nie auf die Idee gekommen, es mit einem Tomogramm zu probieren.«
»Ich auch nicht, wenn ich nicht mit den Kernphysikern an der Uni gesprochen hätte.«
»Aber wie kann man das Ding deiner Meinung nach öffnen?«, fragte Grace. »Zieht man es einfach an der Naht auseinander?«
John zuckte mit den Achseln. »Schätze mal, ja.«
»Das passt aber sehr exakt.« Henry kniff die Augen zusammen und musterte die schmale Linie am Rand des Geräts.
»Ja«, sagte Grace. »Wer auch immer das gebaut hat, hatte echt Ahnung von Metallbearbeitung.«
Die Begeisterung von Grace und Henry war nicht zu übersehen. Sie konnten es kaum erwarten, das Gerät zu öffnen. Doch John saß noch immer die Angst im Nacken, wie ein chronischer, stechender Schmerz. Er sprach aus, was ihm die ganze letzte Woche durch den Kopf gegangen war. »Wenn wir das Gerät aufmachen, zerstören wir es vielleicht. Aber ich glaube, ich kann das verkraften, auch wenn ich in diesem Universum nicht zu Hause bin. Natürlich wird es hart sein, meine Eltern nie wiederzusehen. Und John Prime nie in den Arsch treten zu können. Aber ich akzeptiere das. Ich akzeptiere, was möglicherweise gleich geschehen wird.«
Grace lächelte. »Kein Grund, so feierlich zu werden. Schließlich verdienen wir hier alle unser Geld mit dem Auseinander- und Zusammenbauen von elektronischen Geräten.«
»Aber das hier ist kein verdammter Flipper!«, rief John.
»Doch, natürlich«, erwiderte Grace, »was denn sonst? Du bist die Kugel, und das Multiversum ist die Spielfläche.«
»Und du bist ein Bumper!« Henry stupste Grace mit der Hüfte an. »Boing!«
»Sehr witzig.«
Unter Johns Einkäufen waren auch zwei stabile Schraubzwingen. Jetzt platzierte er das Gerät so in der ersten Schraubzwinge, dass die Unterseite unverrückbar am Boden fixiert war. Die gummierten Backen pressten sich gleichmäßig auf den Rand unterhalb der Naht. Danach befestigte er die zweite Schraubzwinge in gleicher Weise an der Oberseite, setzte mit einer Hebelkonstruktion daran an und verband das Ganze mit einem Druckmesser, so dass sie immer wussten, wie viel Kraft sie auf das Gerät ausübten.
Kritisch betrachtete er sein Werk. »Wir fangen mit einer Kraft von zwanzig Newton an.«
»Ich komm mir vor wie im Labor an der Uni«, kicherte Grace.
»Zwanzig Newton.« John legte die Hand auf den Hebel und drückte.
Henry und Grace, die rechts und links vom Gerät saßen, starrten auf die Naht. An beiden Seiten hatten sie Präzisions-Messschieber angebracht, um jede Veränderung exakt im Blick behalten zu können. »Nichts.«
»Vierzig Newton.« Johns Stimme bebte.
»Nichts.«
Langsam arbeitete er sich auf zweihundert Newton hoch. Aber die Naht blieb stur.
»Vielleicht müssen wir erst einen Unterdruck im Inneren des Geräts abbauen, bevor wir es öffnen können«, schlug Grace vor.
John stieß einen Seufzer aus.
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