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Die Mauern des Universums - Melko, P: Mauern des Universums - The Walls of the Universe

Titel: Die Mauern des Universums - Melko, P: Mauern des Universums - The Walls of the Universe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Melko
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Münztelefon. Er konnte die Nummer kaum wählen, so sehr zitterten ihm die Hände.
    Endlich hob jemand ab. Eine weibliche Stimme meldete sich.

    »Ich rufe wegen einer Casey Nicholson an. Wurde sie bei Ihnen eingeliefert?«
    »Wie war der Name?«
    »Casey Nicholson. C, A, S, …«
    »Moment.« Eine Pause. Papierrascheln. »Habe ich hier nicht.«
    »Sie muss eben erst reingekommen sein. Eine Schussverletzung.«
    »Ach, die. Der Papierkram ist noch nicht da.«
    »Ich bin ihr Freund. Können Sie mir sagen, wie es ihr geht? Es ist wichtig!«
    »Moment.«
    John wartete mit klopfendem Herzen. Er hätte bei Casey bleiben müssen. Aber wenn Visgrath und seine Leute zurückgekehrt wären, hätten sie ihn auch noch geschnappt. Oder die anderen hätten in der Zwischenzeit den Safe aufgebrochen und das Gerät gestohlen. Das Gerät, das mittlerweile sein einziger echter Trumpf war, auch wenn er nicht einmal wusste, was er eigentlich damit anstellen sollte. Vielleicht konnte er es gegen Graces und Henrys Leben eintauschen? Auf jeden Fall musste er sich erst einmal einen sicheren Rückzugsort schaffen. Er musste …
    »Sir?«
    »Ja? Ist sie …«
    »Es geht ihr gut. Der Doktor sagt, die Kugel habe zwar die Schulter erwischt, aber weder Arterien noch Knochen. Ihr Zustand ist stabil.«
    »Wie ist ihre Zimmernummer?«
    »Ms. Nicholson hat noch kein Zimmer zugewiesen bekommen.«
    »Danke.«
    Schlagartig fiel die Anspannung von John ab. Casey schwebte nicht mehr in Lebensgefahr. Sie war nicht einmal schwer verletzt. Vorerst war sie in Sicherheit, und das
war das Wichtigste. Nun konnte er die nächste Nummer wählen.
    »Foley’s Electronic Supply Detroit«, sagte ein Mann am anderen Ende der Leitung.
    »Ich brauche alle IMCAL-212-Platinen, die Sie haben.«
    »Nun, wie viele brauchen Sie denn?«
    »Wie viele haben Sie denn?«
    »Tausende, mein Freund, Tausende.«
    »Und Sie haben sie direkt da, in Ihrem Geschäft?«
    »Ja, im Lager.«
    »Wie lange haben Sie geöffnet?«
    John schaffte es gerade noch zum Laden, bevor er schloss. Jetzt brauchte er nur noch ein Versteck, und er hatte da schon eine Idee.
     
    Im Trans Am stapelten sich die Kisten so hoch, dass John nicht aus dem Beifahrerfenster sehen konnte und statt des Rückspiegels den Seitenspiegel benutzen musste. Als er in die Auffahrt zur Farm einbog, war es schon dunkel, aber im Haus brannte noch Licht. Wäre er eine Stunde später angekommen, hätten Bill und Janet sicher schon geschlafen.
    Die Tür öffnete sich, und Janet kam auf ihn zugelaufen. »Hallo, John!« Sie umarmten sich. »Das freut uns aber!«
    Sie ist nicht meine Mutter, sagte John sich immer wieder, sie ist nicht meine Mutter. »Hallo, Janet! Wie geht’s? Bei euch alles okay?«
    »Ja, ja, uns geht’s gut. Wir haben uns eine Wiederholung von Matlock angeschaut. Du hast uns gerade noch erwischt, wir wollten eben ins Bett.« Janet drehte sich zum Haus um. »Überraschung, Bill! John ist da!«
    John setzte sich noch ein paar Minuten zu ihnen ins Wohnzimmer. Die beiden schienen noch nichts von Caseys Verletzung gehört zu haben, aber jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um davon zu erzählen. Erst musste er seine Pläne
in die Tat umsetzen. »Ich muss euch um einen Gefallen bitten.«
    »Aber natürlich«, erwiderte Bill sofort. »Um was geht’s denn?«
    »Ich müsste die zweite Scheune eine Weile benutzen.«
    »Die zweite Scheune? Aber wozu?«
    Vor einiger Zeit hatten Bill und Janet den Walders ein Stück Land auf der anderen Straßenseite abgekauft, auf dem ein baufälliges Haus und eine alte Scheune standen. Das Haus hatten sie gleich abgerissen, aber die Scheune hatte Bill verschont, für den Fall, dass er es noch einmal mit der Viehzucht probieren würde. Daraus war nichts geworden, deshalb stand die Scheune immer noch leer. Trotzdem gab es dort Strom, der für Johns Projekt unerlässlich war. »Ich … ich muss dort ein bisschen arbeiten.«
    »An den Flipflops?«, fragte Bill.
    »Flippern. Ja, gewissermaßen.«
    »Also meinetwegen gern. Ich glaube, der Schlüssel liegt immer noch in dem Kasten da.« Mit einem lauten Ächzen erhob sich Bill und humpelte auf zittrigen Beinen in Richtung Tür.
    Was hätte John dafür gegeben, zu wissen, wie es um seine Eltern stand – ob die Arthritis sich auch langsam in ihnen ausbreitete wie in diesem Bill und dieser Janet, ob sie ihre Abende auch mit Wiederholungen von Matlock verbrachten, ob sie auch um halb neun ins Bett gingen. Eine Welle der Nostalgie überflutete ihn.

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