Die Mauern des Universums - Melko, P: Mauern des Universums - The Walls of the Universe
gewesen war, den Hebel umzulegen.
Ihn umgab Morgenlicht. Ringsum war freie Natur, aber er stand auf einem ausgetretenen Pfad, und in der Ferne erhob sich ein Palisadenzaun. Er war verblüfft: Hier sah es aus wie in einem dieser Pleistozänuniversen, in denen Nordamerika völlig unbewohnt war, von den Mastodonten und Säbelzahntigern einmal abgesehen. Doch dieser Aufbau da vorne war eindeutig von Menschenhand geschaffen.
Prime warf einen prüfenden Blick auf den Himmel: keine Kondensstreifen. Er suchte den Horizont nach Strom- oder Telefonmasten ab: nichts. Das kleine Transistorradio, das er in seiner Notausrüstung bei sich trug, gab nur statisches Rauschen von sich.
»Merkwürdig«, murmelte Prime und ging den Pfad entlang.
Als er sich dem Palisadenzaun näherte, roch er brennendes Holz und gegrilltes Fleisch. Bald entdeckte er auch einen Wachmann, der mit einer dreieinhalb Meter langen Pike neben einem grob gezimmerten Tor lehnte. Der Mann war
in Tierfelle gekleidet. Eine primitive Zivilisation? Nach kurzem Zögern beschloss er, einfach weiterzugehen. Notfalls konnte er immer noch fliehen.
Der Wachmann wunderte sich weder über Primes plötzliches Auftauchen noch über seine moderne Kleidung. »Noch einer? Und so jung«, sagte er und schüttelte den Kopf. »Willkommen in Fort America, der Heimat der wahrhaft Freien! Hast du irgendwas dabei?« Als der Wachmann die Hand ausstreckte, um Primes Rucksack zu durchsuchen, wich Prime einen Schritt zurück.
Zuerst sah es so aus, als wollte der Mann auf der Durchsuchung bestehen, aber dann zuckte er nur die Achseln. »Egal. Was sollst du schon dabeihaben? Die spannenden Sachen nehmen sie einem ja sowieso weg.« Er zog ein Klemmbrett aus einer Falte in seinen Fellen und betrachtete es kritisch. »Hier. Thomas hat noch Platz in seiner Truppe für einen Grünschnabel wie dich. Siehst du die Baracke da drüben? Frag da nach Thomas.«
Prime wurde nicht schlau aus dem Typen. War es etwa normal, dass hier ab und zu Leute auftauchten? Außerdem sprach der Mann völlig akzentfreies Englisch, was in dieser Wildnis der reinste Anachronismus war.
Wie auch immer, er musste sich vorerst auf die neue Situation einlassen. Hinter dem offenen Tor stieß er auf zwei längliche Baracken, anscheinend den indianischen Langhäusern nachempfunden, und eine Reihe kleinerer Hütten, die aus Holzbalken und getrockneten Tierhäuten zusammengezimmert waren. Parallel zum äußeren Zaun verlief eine Art Wehrgang, an dessen Brüstung im Abstand von zwei Metern Piken mit Steinspitzen lehnten. Aber gegen was mussten sich die Menschen hier verteidigen?
Der Hof war wie leergefegt – bis auf ein paar Frauen, die das Kochfeuer versorgten und langsam einen Spieß drehten, auf dem ein gevierteltes Tier undefinierbarer Form
steckte. Am ehesten erinnerte es Prime noch an eine Kuh, doch dafür waren die Fleischstücke zu groß. Die Frauen schauten kurz auf, ließen ihre Augen einen Moment lang müde auf ihm ruhen und wandten sich dann wieder ihrer Aufgabe zu.
Prime klopfte an die schwere Holztür des ersten Langhauses.
»Herein!«, ertönte es von innen.
Die Tür schleifte über den Sandboden, als Prime sie aufschob. Es dauerte eine Weile, bis er sich an das gedämpfte Licht gewöhnt hatte. Nach und nach erkannte er einen einzigen, länglichen Raum mit einer Reihe grob gezimmerter Schlafkojen. Der Geruch von Harz und frisch geschlagenem Holz lag in der Luft.
Weiter hinten lehnten zwei Männer an einer Schlafkoje und unterhielten sich. Als er eintrat, verstummten sie.
»Wer bist du?«, fragte einer der beiden.
»Ich heiße John. Der Wachmann am Tor hat mich hierhergeschickt.«
»Meine Güte, schon wieder einer! Du bist ja fast noch ein Kind«, erwiderte derselbe Mann. »Kennst du dich vielleicht mit Metallurgie aus?«
»Äh … Nein.«
»Schade. Aber was soll’s. Ich heiße Thomas, und das ist Oscar. Ich bin Hauptmann, und er ist Leutnant dieses Lagers.«
Thomas war blond, groß und kräftig, gebaut wie der Quarterback einer Footballmannschaft. Der andere, Oscar, war kleiner, mit kahlgeschorenem Schädel. Er fixierte Primes Rucksack. »Was hast du da?«, wollte er wissen. »Gib her.«
Prime wich zurück.
»Lass ihn«, sagte Thomas. »Die setzen hier doch niemals jemanden ab, der was Nützliches bei sich hat. Also …« Er wandte sich Prime zu. »Du kommst mit. Wir wollten eh gerade
raus zur Mine. Meine Truppe soll heute an einer Kohleader arbeiten, aber wahrscheinlich trödeln sie mal wieder
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