Die Mauern des Universums - Melko, P: Mauern des Universums - The Walls of the Universe
ins Auge sehen: Er war hier, in diesem Universum, und er konnte nicht mehr weg. Also musste er dieses Leben auf die Reihe kriegen, irgendwie. Er hatte sich dafür entschieden. Es gab kein Zurück.
Sanft strich er Casey über den Oberschenkel und lächelte. Er würde es schaffen. Er würde Geld verdienen, genug, um sie und das Kind zu versorgen, und danach frei sein – frei, mit seinem Geld anzustellen, was er wollte. Okay, es würde jetzt alles ein bisschen länger dauern, mit ein paar mehr Durststrecken und Engpässen als geplant. Aber am Ende würde er triumphieren.
14
Mittlerweile war Frühling, doch wenn die Sonne nicht schien, fröstelte John noch immer. Vormittags, zu Beginn der Arbeit an seinem Wagen, hatte sie auf ihn herab gebrannt, aber jetzt, nach dem Mittagessen, war es richtiggehend kalt. Vielleicht sollte er den Traktor aus der Scheune holen, um den Trans Am dorthin zu ziehen, wo es noch sonnig war. Doch am Ende entschied er sich dagegen. Zu viel Aufwand. Es war eh schon spät. Vor dem Abendessen würde er den Vergaser nicht mehr in Ordnung bringen können.
Wenigstens hatte das Auto nur fünfzig Dollar gekostet, allerdings war es auch noch nie angesprungen. Und bald würde John es dringend nötig haben, denn Anfang Mai übernahm er eine Mittelschicht in der Fabrik von General Electric, und im Herbst wollte er einige Kurse an der University of Toledo besuchen.
Zwar hatte er sich nicht als regulärer Student einschreiben können, weil er seinen Abschluss auf dem zweiten Bildungsweg und nicht an einer normalen Highschool erworben hatte, aber das machte ihm nichts aus. Immerhin konnte er so an dem Weiterbildungsprogramm der Uni teilnehmen. Zu den Themen, die ihn wirklich interessierten, würde er leider erst in einiger Zeit vordringen: Quantenmechanik, Kosmologie und Relativitätstheorie. Doch auch das störte John nicht allzu sehr. Er fühlte sich wohl, wo er war, zumindest vorerst. Hier musste er nicht ständig an zu Hause denken, hier hatte er zu tun. Hier hatte er einen Plan.
Dank der Arbeit am Fließband in der Waschmaschinenproduktion – die Schicht dauerte von vier Uhr nachmittags bis Mitternacht – würde er bald genug zusammengekratzt haben, um die Studiengebühren für das erste Jahr zu bezahlen. Außerdem gaben ihm Janet und Bill immer noch drei Dollar die Stunde für all die Aufgaben, die er auf der Farm erledigte. Das Witzige an der Sache war, dass John dafür in seinem Heimatuniversum keinen müden Cent gesehen hätte. Aber bald würde sich ohnehin einiges ändern: Im September wollte er sich einen Job in der Stadt und ein Zimmer in der Nähe der Uni suchen.
John stellte den Vergaser auf dem Vordersitz ab und schob das Auto zurück in die Scheune, müde und zufrieden vom Werkeln. Das hier war eine gute Welt, doch bleiben würde er nicht. So glücklich er darüber war, dass Bill und Janet ihn aufgenommen hatten, so liebenswürdig und großzügig sie sich ihm gegenüber auch verhielten, sosehr sie seinen Eltern auch ähnelten – er konnte sich hier nicht niederlassen. Nicht auf lange Sicht.
Das wahre Universum war ein weitläufiges Herrenhaus voller einzelner, voneinander abgetrennter Kammern. Und die Bewohner wussten nicht, dass sie sich immer nur in einem dieser winzigen Zimmer befanden. Sie wussten nicht, dass es einen Weg gab, die Mauern zwischen den Kammern zu durchdringen. Aber John wusste es. Er wusste von den Mauern. Und nicht nur das: Er wusste auch, dass die Mauern keinesfalls unüberwindbar waren. Dass es Löcher gab, Lücken zwischen den Universen, durch die man schlüpfen konnte.
Als Hauptfach hatte er Physik gewählt. Und gelacht, als er den hellbraunen Umschlag mit dem Willkommensschreiben geöffnet hatte, denn sein Studienleiter hieß Dr. Frank Wilson. Seitdem wusste John: Das Weltbild dieses Professor Wilson würde eines Tages zusammenbrechen. Und er würde
derjenige sein, der es zum Einsturz brachte. Denn eines hatte John allen anderen Physikern voraus: Ihm war klar, dass ein Mensch durch die Mauern des Universums schreiten konnte. Allein diese Tatsache – das bloße Wissen, dass es möglich war, ohne den geringsten Zweifel – würde ausreichen, um ihn nicht ruhen zu lassen, bis er das wissenschaftliche Geheimnis dahinter ergründet hatte. Und sollten ihm doch einmal Zweifel kommen, musste er nur sein Hosenbein hochschieben und mit den Fingern über die Bissspuren streifen, die der Katzenhund hinterlassen hatte.
John hatte ein Ziel. Er besaß das Gerät und das
Weitere Kostenlose Bücher