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Die Maurin

Die Maurin

Titel: Die Maurin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Korte
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mehr oder minder gefangen hielt, hatte sie kaum etwas von ihrem Einfluss eingebüßt. Vor Hassans Vater war ihr Vater der Sultan von Granada gewesen, ihre Familie war eine der ältesten und mächtigsten im Land, und Hassan ahnte längst, dass die Einwohner Granadas der Meinung waren, dass es dem Königreich bessergegangen war, solange Aischa noch Einfluss auf seine Entscheidungen gehabt hatte. Das Verhältnis der Eheleute war nicht immer so feindselig gewesen, wie es sich heute darbot. Auch wenn ihre Ehe eine Zweckverbindung gewesen war, die Aischa nach dem Sturz ihres Vaters geschickt selbst eingefädelt hatte, waren Hassan und sie doch bald in heftiger Liebe füreinander entbrannt und hatten Granada zunächst in großer Eintracht und dank Aischas Klugheit und Weitsicht zu seinem höchsten Wohl regiert.
    Nach der Geburt ihres Sohnes Boabdil hatte Aischa keine weiteren Kinder gewollt. »Soll ich dabei zusehen, wie sich meine Söhne später gegenseitig zerfleischen und einander nach dem Leben trachten, nur weil der eine dem anderen den Thron nicht gönnt?«, hielt sie Hassan vor und verwies ihn zur Befriedigung seiner männlichen Triebe an die zahllosen hübschen Sklavinnen seines Harems. Dass es später mit Yussuf doch noch einen zweiten Sohn gab, war eine Schwäche, die sich Aischa nie verzieh, aber zu ihrer Beruhigung hatte ihr Zweitgeborener noch nie Ambitionen gezeigt, seinem Bruder den Thron streitig zu machen, zumal er erlebt hatte, welch hohen Preis Boabdil für seine Stellung zahlte.
    Zunächst hatte Hassan angenommen, dass Aischa ihre Haltung mit der Zeit ändern würde, doch schließlich erkennen müssen, dass sie ihn zwar gern weiter bei der Regierung des Landes unterstützte, ihn aber nie wieder auch körperlich nahe kommen lassen würde – was sein Verlangen nach ihr nur noch weiter steigerte. Aus ihrer Liebe wurde Hassliebe, und dann begegnete Hassan der aparten Kindfrau Isabel de Solís, einer Christensklavin, die ihn von der ersten Sekunde in ihren Bann zog und ihn bald ebenso fesselte wie nur eine Frau zuvor, die einzige, die es je gewagt hatte, ihn zurückzuweisen, ein Stachel, der bis zum heutigen Tag schmerzte.
    Aus diesen Gründen war es Hassan überaus schwergefallen, Aischa als Bittsteller aufzusuchen, und vor den Augen Isabels war ihm dieser Schritt schon gar nicht möglich. Zahra fragte sich, ob Isabel etwa noch besser informiert war, als sie Hassan glauben machte. Vielleicht hatte sie ja nicht nur vom Wesir und dem Faqih gewusst, sondern auch, dass Hassan Aischa um Hilfe bitten und ihr damit wieder mehr Macht im Staat zuerkennen wollte. Wie hätte sie ihn geschickter davon abbringen können, als ihm vor Augen zu führen, wie hintertrieben und gefährlich Aischa war!
    Hassan räusperte sich und blickte, wie es Zahra schien, mit einem Anflug von Bedauern zu Aischa. »Der Wesir … Wenn das stimmen würde, wärst du noch viel gerissener, als ich dachte, allerdings hast du mit dem alten Mann schon immer auf gutem Fuß gestanden.« Er schwieg einen Moment und entschied dann mit eisiger Stimme: »Dein Arrest wird hiermit wieder verschärft, die Türen werden fortan noch stärker bewacht. Und ich warne dich, Aischa. Wenn ich dahinterkomme, dass du dich mit dem Wesir gegen mich verbündest, werden dich auch dein Name und deine einflussreiche Familie nicht davor schützen können, dass ich dich wegen Hochverrats hinrichten lasse!«
    Mit diesen Worten drehte Hassan sich um und verließ das Zimmer. Isabel folgte ihm, aber ehe sie aus dem Raum trat, wandte sie sich noch einmal mit einem triumphierenden Lächeln zu Aischa um. Unwillkürlich ballte Zahra die Fäuste. Sie wusste, dass sie an Aischas Stelle aufgesprungen wäre und Isabel ihr Lächeln aus dem Gesicht geprügelt hätte. Aischa aber war die Sultanin von Granada. Und auch der alte Kafur verzog keine Miene, sondern schloss die Tür hinter Isabel de Solís mit vollendet ruhiger Geste.
     
    Kaum waren sie wieder allein, kam Leben in Aischa.
    »Du musst die Alhambra sofort verlassen«, drängte sie. »Ich kann nicht riskieren, dass Hassan auch dich hier einsperrt. Und wegen Boabdil – Kafur weiß über alles Bescheid! Reitet noch heute los!«
    Hastig drückte sie Zahra ihren Hidschab und ihren Schleier in die Hand und befahl Kafur, den Comaresturm mit ihr über die Hintertreppe zu verlassen. Verwirrt stolperte Zahra ihm hinterher. Mit einem Mal erschien ihr alles so unwirklich, fast, als würde dies alles hier einem anderen und nicht ihr

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