Die Mausefalle
Paravicini. »Ich finde, Erklärungen soll man sich bis ganz zum Ende aufheben – wissen Sie, für das spannende Schlusskapitel.«
»Das ist kein Spiel hier, Sir.«
»Nicht? Also da irren Sie sich, glaube ich. Ich glaube, es ist ein Spiel – für jemanden hier.«
»Der Mörder genießt das alles«, murmelte Molly leise.
Die anderen sahen sie verwundert an. Sie wurde rot.
»Ich habe nur zitiert, was Sergeant Trotter zu mir gesagt hat.«
Sergeant Trotter sah nicht besonders erfreut aus. »Das ist alles schön und gut, Mr Paravicini, Ihre Schlusskapitel und Ihr Getue, als wären wir hier in einem Krimi«, sagte er. »Aber das hier ist real. Das hier passiert wirklich.«
»Solange«, sagte Christopher und betastete behutsam seinen Hals, »es nicht mir passiert.«
»Also, bitte«, sagte Major Metcalf. »Das tut es nicht, junger Mann. Der Sergeant hier erklärt uns jetzt, was wir seiner Meinung nach tun sollen.«
Sergeant Trotter räusperte sich. Seine Stimme nahm einen amtlichen Ton an.
»Ich hatte Sie alle vor Kurzem um bestimmte Aussagen gebeten«, fing er an. »Diese Aussagen bezogen sich auf die Orte, an denen Sie sich jeweils befanden, als der Mord an Mrs Boyle geschah. Mr Wren und Mr Davis waren in ihren jeweiligen Schlafzimmern. Mrs Davis befand sich in der Küche. Major Metcalf im Keller. Mr Paravicini hier in diesem Raum…«
Er hielt einen Augenblick inne. Dann fuhr er fort: »Das haben Sie selbst so ausgesagt. Ich habe keine Möglichkeiten, Ihre Aussagen zu überprüfen. Sie mögen stimmen – sie müssen es aber nicht. Um es ganz deutlich zu sagen – vier dieser Aussagen sind richtig – aber eine ist falsch. Welche?«
Er sah nacheinander allen in die Augen. Niemand sagte etwas.
»Vier von Ihnen haben die Wahrheit gesagt – einer hat gelogen. Ich habe einen Plan, mit dessen Hilfe ich dem Lügner vielleicht auf die Schliche kommen kann. Und wenn ich herausfinde, wer von Ihnen mich angelogen hat – dann weiß ich auch, wer der Mörder ist.«
»Nicht unbedingt«, erwiderte Giles barsch. »Jemand könnte Sie angelogen haben, aber – aus ganz anderen Gründen.«
»Das möchte ich bezweifeln, Mr Davis.«
»Wozu soll das denn gut sein? Haben Sie nicht selber gerade erklärt, Sie hätten keine Möglichkeit, Aussagen zu überprüfen?«
»Nein, das nicht, aber ich kann jeden Einzelnen jede seiner Bewegungen noch einmal nachvollziehen lassen.«
»Pah«, sagte Major Metcalf abschätzig. »Rekonstruktion des Tathergangs. Eine abwegige Idee!«
»Keine Rekonstruktion des Tathergangs, Major Metcalf. Sondern die Rekonstruktion der Bewegungen aller scheinbar Unschuldigen.«
»Und was für eine Erkenntnis erwarten Sie sich davon?«
»Sie werden entschuldigen, aber das kann ich im Moment noch nicht darlegen.«
»Sie wollen«, fragte Molly, »dass wir jeden Schritt noch einmal machen?«
»Mehr oder weniger, Mrs Davis.«
Alle schwiegen. Es war ein irgendwie unbehagliches Schweigen.
Das ist eine Falle, dachte Molly. Das ist doch eine Falle – aber ich verstehe nicht, wie die…
Man hätte meinen können, im Salon seien, statt einem Schuldigen und vier Unschuldigen, fünf Schuldige. Allesamt warfen sie verstohlene, bange Blicke auf den jungen Mann mit dem selbstsicheren Lächeln, der dieses harmlos klingende Manöver vorgeschlagen hatte.
Christopher platzte schrill heraus: »Aber ich verstehe nicht – ich kann einfach nicht verstehen –, was Sie damit herauszufinden hoffen – bloß dadurch, dass die Leute dasselbe noch einmal machen, was sie vorher gemacht haben. Mir kommt das einfach vor wie Blödsinn!«
»Tatsächlich, Mr Wren?«
»Natürlich«, sagte Giles bedächtig, »haben Sie das Sagen, Sergeant. Wir machen mit. Sollen wir alle genau dasselbe machen wie vorhin?«
»Genau dasselbe soll noch einmal wiederholt werden, ja.«
Eine leise Zweideutigkeit in diesem Satz ließ Major Metcalf abrupt aufblicken. Aber Sergeant Trotter fuhr fort:
»Mr Paravicini hat uns erzählt, er habe am Klavier gesessen und eine bestimmte Melodie gespielt. Vielleicht sind Sie so freundlich, Mr Paravicini, und zeigen uns genau, was Sie gemacht haben?«
»Aber gewiss doch, verehrter Sergeant.«
Mr Paravicini hüpfte wieder einmal flink durch den ganzen Salon und nahm auf dem Klavierhocker Platz.
»Der Maestro spielt nunmehr auf dem Piano die Erkennungsmelodie eines Mordes«, verkündete er salbungsvoll.
Dann grinste er und fing an, kunstvoll geziert mit einem Finger die Melodie von »Drei Mäuslein blind« zu
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