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Die Maya-Midgard-Mission

Die Maya-Midgard-Mission

Titel: Die Maya-Midgard-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Sieberichs
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und Schotts platzen und trieb mit ihrer Höllenkraft das U-Boot wie ein Projektil in die Tiefe.
    Obersteuermann Gross hielt sich seinen gebrochenen Arm. Er ahnte, dass U 46 steuerlos in die Tiefe donnerte, aber die Schmerzen lähmten seine Stimme, so dass er keine Warnung ausrufen konnte. Als der K aleun Alarmtauchen befahl, hatte er mit aller Kraft an der hinteren Tiefensteuerung gekurbelt. Aber die Explosion am Heck hatte ihm nicht nur das Steuerrad aus der Hand gerissen, sondern außerdem noch das Gelenk und den Unterarm gebrochen. "Pressluft!", brachte er mit einem gequälten Zischen zwischen seinen Lippen hervor und versuchte, die Kurbel des vorderen Höhenruders mit dem unverletzten Arm zu bewegen.
    Harro Steinhardt klammerte sich an den Schaft des Seerohrs und be griff intuitiv, was sein Obersteuermann ihm mitteilen wollte. "Tauchtanks ausblasen! Riederle, um Gottes Willen, die Kompressoren..."
    Aber die Kompressoren waren noch nicht wieder betriebsbereit. Und die Reserven in den Presslufttanks reichten vielleicht, um ein oder zwei Torpedos abzuschießen, aber nicht, um einem waidwunden 900-Tonnen-Boot mit ausgefallener Steuerung und gefüllten Tauc htanks genügend Auftrieb zu geben.
    " Vordere Torpedorohrpforte fluten, Torpedos abfeuern", sagte der Kaleun.
    Oberleutnant Bajohr wusste genau wie alle anderen, dass das ein Ze ichen der Hilflosigkeit war. Der Rückstoß der abgefeuerten Torpedos würde U 46 vielleicht in seiner Vorwärtsbewegung geringfügig bremsen, das Absinken ins nasse Grab aber konnte diese Verzweiflungsmaßnahme auch nicht mehr verhindern. Der Höllenhund und seine Männer waren am Ende ihrer Höllenfahrt angelangt. Bajohr schätzte das Abfeuern der Torpedos als ein letztes Aufbäumen, aber er glaubte nicht an Wunder.
    " Sie verfluchter Idiot!", schrie Oberstleutnant von Spieken mit blutüberströmter Stirn. "Die Bücher... die Sechste Sonne ... Canaris wird sie kreuzigen, Keitel wird Sie zermalmen. Und ich werde das Erschießungskommando persönlich leiten. Ich werde dafür sorg..."
    " Sie werden gar nichts mehr", erwiderte Steinhardt mit beinahe heiterer Gelassenheit.
    " Sie werden mit uns zusammen sterben", sagte Oberleutnant Bajohr.
    " Und ich weiß nicht mal, ob der Blödmann sich das verdient hat", murmelte Obersteuermann Gross und freute sich wie ein kleiner Junge über diese letzte Disziplinlosigkeit.
    U 46 hatte die Nase über die Tiefenruderflossen am Bug aufgerichtet und sank nun g emächlich wie ein Blatt in einem lauen Abendwind über das verstümmelte Heck zum Meeresboden, der ungefähr dreihundert Meter unter ihnen lag. Der Tiefenmesser zeigte 196 Meter an und die U-Bootmänner warteten mit eingezogenen Köpfen, dass die ersten Nieten aus dem Druckkörper herausschossen.
    Oberleutnant Bajohr dachte an seine Kameraden, die Männer des U 46, seine Ersatzfam ilie. Er erinnerte sich daran, wie der Höllenhund die Kampfmoral seiner Leute über Wochen und Monate des Einsatzes aufrecht erhalten hatte. Er ließ seine Männer durch das Sehrohr blicken, damit sie einen sinkenden Dampfer, einen blasenden Wal oder das Nordlicht am Himmel sehen konnten. Er verfasste eine Bordzeitung, veranstaltete Schachwettkämpfe, Wettbewerbe im Erzählen von Lügengeschichten, im Reimen witziger Verse oder im Singen. Er vergab erste Preise: wie etwa eine zusätzliche Freiwache, das Anlassen des Dieselmotors oder das Fahren des Bootes von der Brücke aus. Er hielt Vorträge über den Atlantik, seine Klimazonen und seine Tierwelt, den Golfstrom, die Passatwinde der Karibik oder fliegende Fische. Zu Weihnachten hatten sie alle gemeinsam Kerzen auf Ersatztannenzweigen aus zusammengedrehten Handtüchern und grünem Klosettpapier angezündet. Im Bugtorpedoraum hatte ein mit Bettlaken ausstaffierter Weihnachtsmann jedem Besatzungsmitglied ein paar Süßigkeiten und ein Buch mit persönlicher Widmung des Höllenhundes überreicht. "Ja, ich bin stolz zu dieser Familie zu gehören", dachte der Oberleutnant. Dann schaute er dem britischem RAF-Mann in die Augen, registrierte dessen angsterfüllten Blick und fragte sich, ob dieser ehrenwerte Offizier seine Leute auf ähnliche Art und Weise bei Laune hielt wie der Kaleun die seinen. Wenn ihm noch Zeit geblieben wäre, hätte er den Captain danach gefragt. Doch als der ungeheure Wasserdruck den Druckkörper von U 46 in 240 Meter Tiefe zerquetschte, verlor Bajohr sich in Gedanken an seine Frau und an den Sohn, den er nie gesehen hatte und niemals sehen

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