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Die Mayfair-Hexen

Die Mayfair-Hexen

Titel: Die Mayfair-Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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niederschrieb, konnte ich sie lesen! Da wußte ich, daß sie die Wahrheit sagte.«
    »Und Sie haben es für sich behalten«, stellte Rowan in neutralem Ton fest, als gehe es ihr nur darum, Gordons ärgerliche Gefühlsausbrüche zu dämpfen und ihn wieder ins rechte Gleis zu bringen.
    »Jawohl! Beinahe hätte ich Aaron davon erzählt. Je mehr Tessa sprach, desto öfter sprach sie vom Hochland, von frühen keltischen Ritualen und Gebräuchen, von keltischen Heiligen und der keltischen Kirche.
    Sie wissen, daß unsere Kirche in England damals keltisch oder bretonisch war, oder wie Sie es sonst nennen wollen, gegründet von den Aposteln selbst, die von Jerusalem nach Glastonbury gekommen waren. Wir hatten keine Verbindung mit Rom. Erst Papst Gregor und sein Büttel, der Hl. Augustinus, haben Britannien die römische Kirche aufgezwungen.«
    »Ja. Aber Sie haben Aaron Lightner nichts erzählt?« Ash hob seine Stimme kaum merklich. »Sie sagten eben…?«
    »Aaron war schon nach Amerika gereist, um wieder einmal mit den Mayfair-Hexen Kontakt aufzunehmen und andere Untersuchungen im Bereich des Übersinnlichen zu führen. Ich hatte keine Zeit, Aaron nach seinen früheren Forschungen zu befragen. Und natürlich hatte ich auch etwas Unrechtes getan. Ich hatte eine Frau genommen, die mir als Mitglied des Ordens anvertraut worden war, und ich hatte sie für mich behalten, fast wie eine Gefangene. Selbstverständlich war es Tessa nie verwehrt, fortzugehen – außer durch ihre eigene Angst. Aber ich hatte diese Frau versteckt. Ich hatte dem Orden nichts von ihr erzählt.«
    »Wie sind Sie denn auf diesen Zusammenhang gekommen?« fragte Ash. »Zwischen Tessa und den Mayfair-Hexen?«
    »Oh, das war nicht schwierig. Eins folgte aus dem anderen. Wie gesagt, Tessas Reden waren voll von Hinweisen auf archaische Highland-Gebräuche. Sie sprach immer wieder von den Steinkreisen, die ihr Volk gebaut habe und die später von den Christen für bizarre Rituale benutzt worden seien, ohne daß ihre Priester diesem Treiben je ein Ende machen konnten.
    Sie alle kennen sicher unsere Mythologie. In den alten Mythen der Briten wimmelt es von sagenhaften Riesen. Unsere Legenden behaupten, diese Riesen hätten die Steinkreise gebaut, und Tessa sagt es auch. Unsere Riesen weilten noch lange nach ihrer Zeit an dunklen, entlegenen Orten, in Höhlen am Meer und in den Highlands. Nun, Tessas Riesen, von der Erde verjagt, beinahe ausgerottet, überlebten gleichfalls an geheimen Stätten! Und als sie es schließlich wagten, doch wieder unter Menschen zu erscheinen, da brachte man ihnen Verehrung und Angst entgegen. Genauso, sagte sie, erging es dem Kleinen Volk, dessen Ursprünge in Vergessenheit geraten sind. Einerseits verehrte, andererseits fürchtete man sie. Und die Urchristen in Schottland pflegten oft in den Steinkreisen zu singen und zu tanzen, weil sie wußten, daß die Riesen es einst getan hatten, ja, daß sie diese Kreise eigens zu diesem Zweck errichtet hatten. Sie wollten die Riesen mit ihrer Musik aus ihrem Versteck locken, damit sie herabkämen, um mitzutanzen, und dann wollten die Christen sie abschlachten, um die Priester zufrieden zu stellen – nicht ohne sie zuvor zu benutzen, um die alten Götter zufrieden zu stellen.«
    »Was heißt zufrieden stellen?« fragte Rowan.
    Gordons Blick verschleierte sich, und seine Stimme bekam einen sanften, beinahe wohligen Ton, als müsse die bloße Erwähnung dieser Dinge zwangsläufig ein Gefühl des Staunens hervorrufen.
    »Hexerei – davon ist hier die Rede. Frühe, bluttriefende Hexerei, in welcher der Aberglaube unter dem Joch des Christentums sich auf der Suche nach Magie in die heidnische Vergangenheit zurückwandte, um maleficia zu tun, um Macht zu erringen, oder nur, um Zeugen eines dunklen, geheimen Rituals zu sein, das sie reizte, wie kriminelle Handlungen für die Menschen schon immer reizvoll waren. Jedenfalls brannte ich darauf, die Bestätigung für Tessas Erzählungen zu bekommen.
    Ohne jemand ins Vertrauen zu ziehen, stieg ich hinunter in die tiefsten Keller des Mutterhauses, dorthin, wo das älteste, ungeprüfte Material über das britische Volkstum lagerte. Es waren Manuskripte, die von Gelehrten wie Aaron, die Jahre damit zugebracht hatten, alte Dokumente zu übersetzen, als ›Fantasieprodukte‹ und ›irrelevant‹ eingestuft worden waren. Dieses Material existierte in unseren modernen Inventarlisten und Datenbanken nicht einmal. Man mußte die zerbröckelnden Seiten

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