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Die Mayfair-Hexen

Die Mayfair-Hexen

Titel: Die Mayfair-Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Ich weiß es.« Sie hielt inne. Woher in aller Welt wollte sie das wissen? Es war der Traum gewesen, nicht wahr? Und Wunschdenken mußte es außerdem gewesen sein – der Wunsch, ein Mädchen zu bekommen und es frei und stark zu erziehen, wie Mädchen fast nie erzogen wurden.
    Ryan versprach, in zehn Minuten da zu sein.
    Mona lehnte sich in die Kissen und schaute hinaus auf das Farnkraut auf dem Baum und die kleinen Stücke von blauem Himmel dahinter. Das Haus um sie herum war still; Eugenia war verschwunden. Sie schlug die nackten Beine übereinander; das Hemd mit seinem breiten Spitzensaum bedeckte ihre Knie mühelos. Die Ärmel waren wirklich schrecklich zerknautscht, aber was machte das schon?
    Sie lachte. Junge, der Apfel war lecker!
    Mary Jane Mayfair. In gewisser Weise war sie die einzige Person in der ganzen Familie, bei der sie es aufregend fand, sie zu treffen, aber andererseits – was, wenn Mary Jane anfing, wildes Hexenzeug zu reden? Wenn sie anfing, verantwortungslos daherzuschwatzen? Damit würde Mona nicht fertig werden können.
    Sie biß noch einmal in den Apfel. Das wird bei Vitaminmangel helfen, dachte sie, aber sie brauchte die Aufbaustoffe, die Annelle Salter ihr verordnet hatte: Sie trank die restliche Milch in einem olympischen Zuge aus.
    »Was ist mit ›Ophelia‹?« fragte sie laut. Wäre das richtig? Ein Mädchen nach der armen, wahnsinnigen Ophelia zu taufen, die sich, von Hamlet zurückgewiesen, ertränkt hatte? Wahrscheinlich nicht. Ophelia ist mein geheimer Name, dachte sie, und du wirst Morrigan heißen.
    Ein großes Wohlgefühl überkam sie. Morrigan. Sie schloß die Augen und roch das Wasser, hörte, wie die Wellen an die Klippen krachten.
    Ein Geräusch weckte sie jäh. Sie hatte geschlafen; sie wußte nicht, wie lange. Ryan stand am Bett, und Mary Jane Mayfair war bei ihm.
    »Oh, Entschuldigung«, sagte Mona, schwang die Beine über die Bettkante und kam herum, um sie zu begrüßen. Ryan zog sich schon wieder zurück.
    »Vermutlich weißt du«, sagte er, »daß Rowan und Michael in London sind. Michael hat gesagt, er wolle dich anrufen.« Dann war er draußen und ging die Treppe hinunter.
    Und hier stand Mary Jane.
    Ihr gelbes Haar hing offen und prachtvoll wie Flachs über ihre Schultern, und ihre großen Brüste drängten sich an das eng sitzende weiße Spitzenkleid. Sie hatte ein bißchen Lehm an ihren beigen hochhackigen Schuhen, wahrscheinlich vom Friedhof. Und sie hatte die schmale, mythische Südstaatentaille.
    »Hallo, Mona. Ich hoffe, es nervt dich nicht, daß ich hier bin.« Sofort packte sie Monas rechte Hand und bewegte sie heftig wie einen Pumpenschwengel auf und ab; ihre blauen Augen funkelten, als sie aus ihrer scheinbar luftigen Höhe von etwa einem Meter siebzig einschließlich der hohen Absätze auf Mona herabschaute. »Paß auf, ich kann jederzeit verschwinden, wenn du mich hier nicht haben willst. Ich kann trampen; das ist mir nicht fremd, sag ich dir. Nach Fontevrault ist das überhaupt kein Problem. Hey, kann ich da vorn auf die Veranda?«
    »Yeah, klar; freut mich, dich hier zu haben.« Monas Hand war ganz klebrig von dem Apfel, aber Mary Jane hatte es nicht bemerkt.
    Mary Jane ging an ihr vorbei.
    »Du mußt das Fenster hochschieben«, sagte Mona, »und dich drunter durchducken.«
    Sie folgte Mary Jane nach draußen. Frische Luft. Wind vom Fluß.
    »Nachher kann ich dir meinen Computer zeigen und mein Aktienportefeuille. Ich habe einen Investmentfond, den ich seit sechs Monaten manage, und der macht Millionen. Schade, daß ich es mir in Wirklichkeit nicht leisten konnte, diese Aktien zu kaufen.«
    »Ich kann dich hören, Darlin’«, sagte Mary Jane. Sie legte die Hände auf das Verandageländer und schaute auf die Straße hinunter. »Das ist vielleicht ‘ne Villa«, sagte sie.
    »Onkel Ryan weist immer darauf hin, daß es keine Villa ist, sondern ein Stadthaus, genaugenommen«, sagte Mona.
    »Na, es ist ein tolles Stadthaus.«
    »Ja, und eine tolle Stadt.«
    Mary Jane lachte und bog dabei den ganzen Körper zurück. Dann drehte sie sich zu Mona um, die gerade auf die Veranda herausgetreten war.
    Sie musterte Mona plötzlich von Kopf bis Fuß, als habe irgend etwas einen besonderen Eindruck auf sie gemacht. Dann erstarrte sie und sah Mona in die Augen.
    »Was ist?« fragte Mona.
    »Du bist schwanger«, sagte Mary Jane.
    »Ach, das sagst du bloß wegen dieses Kleides oder Kittels, oder was es sonst ist.«
    »Nein, du bist schwanger.«
    »Na ja, schön«,

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