Die Mehrbegabten
und seine grauen Haare fielen auf das Weiß der Kissen, beraubten sie ihrer Farbe, als hätte sich etwas, das jedes Licht fernhielt, ihrer bemächtigt.
»Würden Sie auf eine der folgenden Arten reagieren?« fuhr Barnes fort. »Erstens: Wären Sie von hysterischer Freude erfüllt, ohne jeden Vorbehalt? Zweitens: Würden Sie sich ein wenig freuen? Drittens: Wäre es Ihnen gleichgültig? Viertens: Würde Sie das beunruhigen? Fünftens: Würde es Sie veranlassen, einer ÖSD- oder Militäreinheit beizutreten, um die unnatürlichen Invasoren zu bekämpfen? Welche der Möglichkeiten würden Sie wählen, wenn überhaupt eine?«
»Gibt es nicht etwas zwischen ›hysterischer Freude ohne Vorbehalt‹ und ›ein wenig freuen‹?« fragte Nick.
»Nein«, sagte Barnes.
»Warum nicht?«
»Wir wollen wissen, wer unsere Feinde sind. Wenn Sie ›hysterische Freude empfänden‹, würden Sie handeln, um ihnen zu helfen. Aber wenn Sie sich nur ein wenig freuten, würden Sie wahrscheinlich nichts unternehmen. Das wird durch die Wahlmöglichkeiten erklärt – würden Sie als offener Gegner des Establishments auftreten, und wenn ja, in welcher Richtung und bis zu welchem Grad?«
Grem, dessen Stimme durch die Decke gedämpft wurde, brummte: »Er weiß es nicht. Mein Gott, er ist heute erst Minusmensch geworden. Woher, zum Teufel, soll er wissen, wie er sich verhalten würde?«
»Aber er hat jahrelang Zeit gehabt, über Provonis Rückkehr nachzudenken«, wandte Barnes ein. »Vergessen Sie das nicht. Seine Reaktion hat tiefe Ursachen, egal, wie sie ausfällt.« Er sah Nick an. »Antworten Sie!«
Nach einer Pause erwiderte Nick: »Das hängt davon ab, was Sie mit Charley machen.«
»Versuchen Sie mal, daraus Schlüsse zu ziehen«, sagte Grem und lachte in sich hinein. »Ich kann Ihnen sagen, was mit Charlotte geschehen wird. Sie wird hierhergebracht, um sicher zu sein vor dem Psychopathen Denny oder Benny oder wie er heißt. Sie haben also die ›Rote Seekuh‹ abgeschüttelt, sehr gut. Aber sie könnte gelogen haben, als sie sagte, das sei noch keinem gelungen… daran haben Sie nicht gedacht. Sie hat Sie um ihr kleines Pseudopodium gewickelt, wie? Auf einmal sagten Sie zu Ihrer Frau: ›Wenn sie geht, gehe ich auch.‹ Und Ihre Frau sagte: ›Geh!‹ Was Sie taten. Und alles ohne Vorwarnung. Sie brachten Charlotte in Ihre Wohnung, erzählten eine Lüge über die Art Ihres Bekanntwerdens, dann fand Kleo das Cordon-Pamphlet, und – peng! Das war’s. Denn das lieferte ihr, was eine Ehefrau am meisten schätzt: Eine Situation, in der ihr Mann zwischen zwei Übeln wählen muß, zwischen zwei Möglichkeiten, die er beide nicht wünscht. Das mag eine Ehefrau. Wenn Sie im Gerichtssaal stehen und sich scheiden lassen, läßt man Ihnen die Wahl, zu ihr zurückzukehren oder ihr ganzes Vermögen zu verlieren, alles, was Sie besitzen, Sachen, die Sie schon seit der Schulzeit haben. Ja, das lieben die Ehefrauen.« Er vergrub sich tiefer in die Kissen. »Das Gespräch ist beendet«, murmelte er schläfrig.
»Meine Schlußfolgerung«, sagte Barnes.
»Okay«, sagte Grem dumpf.
»Dieser Mann, 3XX 24J«, sagte Barnes und deutete auf Nick, »hat eine Denkweise, die der Ihrigen entspricht. Seine erste Sorge gilt seinem Privatleben, nicht einer Sache. Wenn ihm der Besitz der Frau zugesichert wird, die er haben will – wenn und falls er sich endgültig entschließen sollte –, wird er bei Provonis Ankunft untätig bleiben.«
»Und daraus folgern Sie?« murmelte Grem.
»Daß wir heute, jetzt gleich, verbreiten, sämtliche Internierungslager, sowohl in Utah wie auf Luna, werden geschlossen und die Internierten nach Hause zu ihren Familien oder zu wem sie wollen geschickt.« Barnes’ Stimme klang rauh. »Wir werden, bevor Provoni eintrifft, ihnen geben, was 3XX 24J hier will – womit er sich abfinden würde. Alte Menschen leben auf einer persönlichen Ebene; es ist nicht die Sache, die Ideologie, die sie motiviert. Wenn sie sich einer Sache verschreiben, dann, um etwas in ihrem persönlichen Leben zurückzugewinnen, so etwas wie Würde oder Sinn. Wie bessere Wohnungen, Mischehen – Sie verstehen.«
Grem schüttelte sich wie ein nasser Hund, setzte sich im Bett auf und starrte ihn an, die Mundwinkel heruntergezogen, die Augen hervorquellend… so, als treffe ihn jeden Moment der Schlag, dachte Nick.
»Freilassen?« sagte Grem. »Alle? Wie diejenigen, die wir heute eingefangen haben: harter Kern, sogar in paramilitärischen
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