Die Meister der Am'churi (German Edition)
Wandler. Ilanrin begleitete sie zwar mit einer schwer einzuschätzenden Zahl von Elfenkriegern, es mochten um die zweihundert sein; doch diese blieben strikt unter sich und hielten sich in jeglicher Hinsicht von ihnen fern.
Heute Abend hatten die Wandler das Essen bereitet, und Brynn half dabei, es auszugeben. Lurez erwog kurz, auf seinen Anteil zu verzichten. Oder Jivvin zu bitten, ihm etwas zu bringen. Oder sich demonstrativ an einen der anderen Wandler zu richten.
Und schon hätten sie alle noch mehr Stoff zum Lästern … Ob ich zu ihm gehe oder nicht, ich kann nichts richtig machen.
Entschlossen stand er auf und durchquerte das Lager. Soweit er beobachtet hatte, wurde Brynn von niemandem aus seinem Rudel verspottet; zumindest nicht öffentlich. Lynea hatte ihre Wölfe fest im Griff. Und vielleicht waren Muriakinder tatsächlich toleranter? Er hoffte es sehr, um Brynns Willen. Dass sich seine eigenen Waffenbrüder so gegen ihn wenden könnten, hätte er niemals erwartet.
Brynn vermied es, ihn anzusehen, schweigend reichte er Lurez eine Holzschale mit Fleischeintopf an. Dabei berührten sich ihre Hände. Es traf Lurez wie ein Blitzschlag, er hatte Mühe, die Schale nicht fallen zu lassen. Ihre Finger verschränkten sich, nur für einen fiebrigen Wimpernschlag. Brynn hielt die Augen geschlossen, doch er zitterte leicht, und Lurez konnte hören, wie sein Herz raste, kaum langsamer als sein eigenes.
Rasch ließ Lurez los und ging zurück zu seinem Platz. Er war sicherlich von Dutzenden Augen beobachtet worden, keine Hoffnung, dass dieser Moment sehnsüchtiger Nähe niemandem aufgefallen war, auch, wenn ihn keiner ansprach.
Als Jivvin zu ihm herüberkam, schwankte Lurez kurz unschlüssig. Sollte er ihn wegschicken? Er wollte wirklich nicht reden!
Aber dann sah er, wie bleich und besorgt sein Freund wirkte und drängte seine eigenen Sorgen beiseite.
„Ist etwas mit Ni’yo?“, fragte er leise. Jivvin nickte, den Blick in weite Fernen gerichtet.
„Ich spüre, wie er sich quält. Ich weiß nicht, wie es sein kann, trotzdem, ich kann seinen Schmerz in mir fühlen, als wäre es mein eigener. Er ist dem Zusammenbruch nahe.“
Lurez schluckte. Sie waren noch mindestens drei Tagesmärsche vom Pevva-Tal entfernt. Selbst wenn sie auf Schlaf verzichten und rennen würden, bis sie selbst zusammenbrachen, würden sie mindestens eineinhalb Tage brauchen. Würden die Drachen ausbrechen, bevor sie bereit waren, konnte niemand sie mehr aufhalten, das war oft genug gesagt worden.
„Vielleicht …“ Er räusperte sich und legte Jivvin eine Hand auf die Schulter, unsicher, was er tun konnte, um ihm Trost zu geben. „Vielleicht kann Ni’yo dich auch spüren. Wenn du ihm von deiner eigenen Kraft etwas gibst, hält er womöglich länger durch.“
„Wie soll das gehen?“ Jivvin schüttelte zweifelnd – oder verzweifelt? – den Kopf. „Ich weiß nicht einmal, ob es lediglich Einbildung ist. Ein Produkt meiner Ängste. Und ich bin kein brennender Zweig, der seine Wärme abgeben kann, wie soll ich dann Ni’yo Kraft schenken? Er sitzt hinter einem magischen Siegel fest, das nicht einmal die Götter durchdringen können.“
„Jivvin, ich weiß es doch selbst nicht! Versuch es wenigstens, vielleicht hilft es dir, wenn du das Gefühl hast, irgendetwas für ihn tun zu können, statt nur zu bangen und fürchten und keine Hoffnung zuzulassen.“
„Du hast recht.“ Jivvin quälte sich ein Lächeln ab. „Ich werde mich gleich niederlegen und es versuchen, vielleicht finde ich so wenigstens heute Nacht ein paar Stunden Schlaf.“ Sein Lächeln vertiefte sich, als er zu Lurez hinüber sah. „Sei mit jemandem wie Kamur nicht zu hart. Er ist bloß neidisch.“
„Neidisch?“ Lurez lachte bitter auf. „Worauf denn? Dass ich mich in jemanden verliebt habe, den ich nicht haben kann, weil dafür entweder ich den Tempel oder er das Rudel verlassen müsste? Dass mich das halbe Lager auslacht? Dass ich keinen klaren Gedanken mehr fassen kann und im Kampf höchstens noch als Drachenfutter taugen werde?“
„Nein.“ Jivvin klopfte ihm begütigend auf die Schulter. „Darauf, dass du in jemanden verliebt bist, der dasselbe für dich empfindet. Darauf, dass ihr, falls ihr beide überlebt, zumindest die Wahl habt, euch für irgendeine Art gemeinsamer Zukunft zu entscheiden, und wenn es nur ein letztes inniges Beisammensein ist. Auf all das eben, was sie niemals haben werden.“
Lurez nickte langsam, er wusste, was Jivvin meinte.
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