Die Melodie des Todes (German Edition)
vergangen, ohne dass sie nennenswert weitergekommen wären. Aber deshalb bin ich nicht hier. Ich habe meinen ersten Auftrag bekommen«, sagte sie stolz.
Siri sah sie an. Maß sie theatralisch mit den Augen und sagte dann: »Sieh an, bravo. Und so schnell.«
»Schnell? Die Webseite besteht jetzt schon vier Wochen. Ich hatte mittlerweile gedacht, dass sich niemand dafür interes siert.«
Die Webseite, von der Felicia sprach, hieß norwegianroots.org, und sie hatte sie gemeinsam mit Siri eingerichtet.
Felicias erster Monat in Norwegen war sorglos dahingeflossen, sie hatte kaum etwas anderes getan, als in den nachdenklichen, zerstreuten und viel zu alten Polizisten verliebt zu sein, der ihr den Kopf verdreht hatte. So hätte es ewig weitergehen können, gäbe es da nicht die norwegischen Einreisebestim mungen, die wie die amerikanischen nichts für Romantik übrig hatten.
So hatten sie sich schon nach kurzer Zeit überlegen müssen, was sie tun wollten, wenn Felicias visumfreie Zeit abgelaufen war. In gewisser Weise waren sie dadurch gezwungen gewesen, sich viel eher über ihre Gefühle klar zu werden, als sie das eigentlich wünschten. Beide hatten lange versucht, das jeder für sich zu klären, bis Odd irgendwann alle Romantik über Bord geworfen und um ihre Hand angehalten hatte.
Sie hatten abends im Bett gelegen, nachdem sie voneinander gelassen hatten. Es war dunkel und sie wussten beide nicht, wie spät es war.
»Wir werden wohl gezwungen sein, zu heiraten«, hatte er gesagt.
Sie war liegen geblieben, ohne etwas zu sagen.
»Damit du noch hierbleiben kannst. Eigentlich ist es ja noch viel zu früh zum Heiraten. Ich rede nur von dem formellen Teil. Wenn wir später noch Lust haben, können wir in ein oder zwei Jahren ja immer noch richtig heiraten. Und wenn es nicht klappt, ist eine Ehe heutzutage ja auch nicht mehr unauflös lich.«
»Machst du mir gerade einen Antrag, Odd Singsaker?«, fragte Felicia lachend, nachdem sie sich die unbeholfenen Formulierungen ihres Liebsten angehört hatte.
»Nein, ich frage dich bloß, ob du meine Importfrau sein willst«, antwortete er. Und sie fragte sich, ob das nicht genau das war, was sie an ihm am meisten liebte. Neunzig Prozent eines Gesprächs suchte er beinahe rastlos nach Worten und dann schlug er plötzlich mit einer wirklich geistreichen, nicht selten frechen Formulierung zu. Sie hatte die Vermutung, dass sie diesen Effekt auf ihn hatte, da er einen solchen Esprit nur bei ihr an den Tag legte.
Sie lachten beide und sagten nichts mehr.
*
Eine Woche später hatten sie die Formalitäten erledigt, und plötzlich war Felicia in einem fremden Land verheiratet. Und das alles als Folge einer Verliebtheit, die sie nicht ganz verstand, aber auch nicht leugnen wollte. Danach war ihr klar geworden, dass sie eine Aufgabe brauchte. Odd hatte ihr zwar versichert, genug zu verdienen, um sie beide zu versorgen, aber so sehr Importfrau wollte sie dann doch nicht sein. Sie erwog eine Zeitlang, sich ihre Polizeiausbildung in Norwegen anerkennen zu lassen, was bei ihrer Arbeitserfahrung möglich sein sollte, aber irgendetwas veranlasste sie, damit noch zu warten. In diesem Zusammenhang war ihr die Idee mit der Webseite gekommen.
Die Geschäftsidee lief darauf hinaus, Amerikanern, die sich für ihre norwegischen Wurzeln interessierten, zur Seite zu stehen und zu einer Art professionellem Ahnenforscher für wohlhabende Landsleute zu werden. Siri hatte sie davon überzeugt, dass damit Geld zu verdienen war, und durch deren Job in der Gunnerusbibliothek hatte Felicia Zugang zu den nötigen Ressourcen für ihre Aufgabe.
Die Gunnerusbibliothek, heute Teil der Universitätsbiblio thek von Trondheim, war eigentlich die älteste wissenschaftliche Bibliothek des Landes. Ihre Wurzeln reichten bis ins Jahr 1760 und zur Königlich Norwegischen Wissenschaftlichen Gesell schaft.
Heute beheimatete die Gunnerusbibliothek unter an derem eine Spezialsammlung sehr seltener historischer Quellen, und durch ihre Stellung hatte Siri Holm Zugang zu einer Reihe von Datenbanken und externen Archiven, über die sie das notwendige Material rasch bestellen konnte. Die größte Quelle war aber Siri selbst mit ihrem Engagement und schier unerschöpflichen Wissen. Wenn sie auch manches Mal allzu vorwitzig und unbedacht agierte, wie bei der Mordserie im letzten Jahr. Aber in der Ahnenforschung lauerten wohl kaum solche Gefahren. Felicia wusste, dass Siri ihr eine große Stütze sein würde.
Trotzdem hatte
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