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Die Melodie des Todes (German Edition)

Die Melodie des Todes (German Edition)

Titel: Die Melodie des Todes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jørgen Brekke
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wirkte, was sie grenzenlos aufregte.
    Die Tür zum Schlafzimmer war nur angelehnt. Eine Angewohnheit, die noch aus der Zeit stammte, als Julie nachts immer zu ihnen gekommen war. Gegenüber vom Schlafzimmer lag das Bad, aus dem in der Regel Julies Singen zu hören war. Aber an diesem Morgen hörte sie nichts. Es hatte einmal eine Zeit gegeben, in der dieser Gesang beim Aufwachen das Schönste war, was sie sich vorstellen konnte.
    Sie stand auf und dachte an den vergangenen Abend. Julie hatte ihr die ihrem Empfinden nach viel zu teure Hose gezeigt, die sie gekauft hatte, und obwohl sie wusste, dass ihre Tochter die Hose von dem eigenen Taschengeld bezahlt hatte, hatte sie sie als verwöhnte Teenagerdiva bezeichnet. Das Schlimmste war aber, dass sie das nicht im Spaß gesagt hatte, sondern ihre Tochter damit wirklich verletzen wollte. Julie hatte sie einfach stehen lassen und war mit Bismarck nach draußen gegangen.
    Irgendwie hatte ihr das die Augen geöffnet. Ich kann so nicht weitermachen, hatte sie gedacht. Dann war sie zu Ivar ins Bett gegangen, der bereits schlief. Ich bin eine schreckliche Mutter, hatte sie ihrem schlafenden Mann zugeraunt und als Antwort ein verschlafenes Grunzen bekommen. Danach hatte sie dagelegen und darauf gewartet, dass die Tür ging, Julies Gesang im Flur zu hören war und der Hund sich den Schnee aus dem Pelz schüttelte. Sie war offenbar eingeschlafen, ehe ihre Tochter zurückgekommen war.
    Sie ging auf den Flur und öffnete die Badezimmertür. Alles war wie am Abend zuvor. Keine Handtücher auf dem Boden, keine dreckige Wäsche. Sogar die Zahnpastatube war zugedreht.
    Sie ging zur Haustür und sah nach draußen. Es war noch nicht richtig hell. Ihr Atem gefror in der Luft und verschleierte ihren Blick. Sie blieb stehen und starrte leer in das Weiß zwischen den großen Bäumen.
    Dann blickte sie aus alter Gewohnheit nach unten und sah die Zeitung auf der Türschwelle liegen. Sie las die Schlagzeilen auf der Titelseite. Wieder ging es um die schrecklichen Ereignisse in der Ludvig Daaes gate, die die ganze Nachbarschaft erschüttert hatten. Zwei Tage lang hatte sie Julie verboten, allein im Dunkeln nach draußen zu gehen. Aber ihre Tochter wollte nicht auf sie hören, was nur zu weiterem Streit geführt hatte, bis sie irgendwann mit einem Kloß im Hals nachgegeben hatte.
    Mit wachsender Unruhe ging sie in die Küche. Die Arbeitsplatte war sauber ohne jeden Krümel. Auch Bismarcks Kissen im Wohnzimmer war leer. Sie blieb stehen und spürte, wie schwer ihr das Atmen fiel. Langsam und mit unsicheren Schritten ging sie zum Schlafzimmer ihrer Tochter, das auf der anderen Seite des Wohnzimmers lag. Einen Moment lang fürchtete sie, wahnsinnig zu werden. Dann dachte sie: Das alles ist nur ein Traum. Ein total verrückter Albtraum.
    Sie blieb lange vor der Tür zum Zimmer ihrer Tochter stehen. Dann nahm sie all ihren Mut zusammen und öffnete sie langsam.

9
    W ieder und wieder ging Stänkerer Löfberg die wenige Tage zurückliegende Mordszene in Gedanken durch. Manchmal war es ein einzelner Schlag, ein Blutstropfen oder ein Aufblitzen in ihren Augen, das seinen Gedanken Einhalt ge bot. Andere Male, wie jetzt, war es die ganze Atmosphäre und der Verlauf der Geschehnisse. Die Schläge und Tritte, der Geruch nach Blut und Schweiß, das dunkle Kellerlicht. Er konnte seine Gedanken einfach nicht davon losreißen. Nur das konnte ihm Ruhe bringen.
    Er hörte seine eigene Stimme in der Nacht mit Silje Rolfsen. »Sing!«
    Dann kamen die Bilder.
    Die Klinge drückte eine kleine Vertiefung in die Haut ihres Halses, durchstach sie aber nicht. Da er das Messer vollkommen ruhig hielt und sie sich nicht bewegte, würde das auch nicht geschehen.
    »Sing!« wiederholte er und nahm das Messer weg, damit sie atmen konnte. Er drehte es um und legte die Spitze an ihren Kehlkopf.
    Da sang sie. Er stand auf, nahm das Messer weg, verließ den Kellerverschlag und schloss die Tür. Draußen legte er sich auf die Matratze, um ihrem Gesang zu lauschen. Sie hatte jeden Ton gelernt, jede Strophe. Ihre Stimme drang gedämpft durch die dünne Tür des Verschlags, wie Geräusche aus einer fremden Wohnung. Einen Moment lang glaubte er, in den Schlaf zu gleiten. Aber seine Augen schlossen sich nicht. Dann hörte er wieder die Fliege in seinem Kopf.
    Es hatte nicht die Wirkung, die er erhofft hatte.
    Irgendwann stand er langsam auf, beugte sich hinunter und legte eine CD ein. Bellman. Er drehte die Lautstärke auf. Dann ging er

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