Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Melodie des Todes (German Edition)

Die Melodie des Todes (German Edition)

Titel: Die Melodie des Todes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jørgen Brekke
Vom Netzwerk:
den Steinen ist kein Blut, Herr Polizeimeister«, konstatierte er schließlich.
    »Gut beobachtet, und was sagt uns das?«
    »Dass er auf den Steinen nicht geblutet hat.«
    »Genau. Da wir aber sehen, dass er geblutet hat, muss uns das zu einer ganz konkreten Schlussfolgerung führen?«
    »Dass er woanders verblutet ist?«
    »Richtig. Betrachten wir dann noch die Art, wie er hier liegt, die Arme gerade an den Seiten und die Haare über die Schulter zurückgestrichen, können wir mit Sicherheit davon ausgehen, dass ihn jemand vorsichtig abgelegt hat, als er bereits tot war und nicht mehr geblutet hat.«
    Sie standen eine Weile schweigend nebeneinander und hingen ihren Gedanken nach. Dann sagte der junge Wächter: »Es muss ganz schön anstrengend sein, einen Toten bis hinunter zum Strand zu schleppen.«
    »Sieh einer an«, sagte der Polizeimeister. »Du gebrauchst ja deinen Kopf. Aber du denkst den Gedanken nicht bis zum Schluss.«
    »Wie meint Ihr das?«
    »Du hast doch gerade die Steine rund um die Leiche untersucht, nicht wahr?«
    »Ja, das habe ich.«
    »Ist dir außer dem fehlenden Blut noch etwas anderes aufgefallen?«
    »Nein, eigentlich nicht. Die Steine liegen hier, als wäre nichts geschehen.«
    »Rem acu tetigisti!« Nils Bayer betrachtete den armen Tropf, der zunehmend verwirrt war. »Was ist hier nicht geschehen?«
    »Ich fürchte, ich verstehe nicht, worauf Ihr hinauswollt.«
    »Denke doch an das, was du gesagt hast, junger Mann!«
    »Meint Ihr, dass derjenige, der ihn hier runtergetragen hat, sehr stark sein muss?«
    »Genau. Sieh dir die Steine noch einmal an. Sagen wir vom Ende des Pfades bis hierher.«
    Der Wächter blieb stehen und starrte konzentriert auf die Erde. Er blickte auf den Spülsaum aus faulem Tang und auf die rundgeschliffenen Felsen am Ende des Strandes.
    »Keine Spuren am Boden«, sagte er schließlich. »Er ist nicht getragen worden.«
    »Ausgezeichnet!«, sagte Nils Bayer. »Er wurde nicht hierher getragen und ein schwerer Karren ist in den letzten Stunden auch nicht über den Strand gezogen worden. Der Fußpfad von Ila hier hinunter ist für Wagen außerdem unbefahrbar.«
    »Aber woher wissen wir, dass er erst ein paar Stunden hier liegt? Der Fischer, der mir von der Leiche erzählt hat, war zwei Tage auf See, bevor er den Toten entdeckte, und andere Menschen kommen nicht an diesen Teil des Strandes. Er kann schon lange unbemerkt hier liegen. Die Schleifspuren auf dem Strand und das Blut auf den Steinen können bei Flut vom Wasser weggespült worden sein. Außerdem könnte der Körper doch auch hier an Land getrieben sein.«
    »Dieser Leichnam hat nicht im Wasser gelegen«, sagte der Polizeimeister mit Nachdruck. »Ich habe schon viele Menschen gesehen, die das Wasser wieder hergegeben hat. Neptun hinterlässt immer seine Spuren. Aber eigentlich reicht ein Blick, um sagen zu können, dass der Körper erst nach der letzten Flut hier abgelegt wurde. Wenn ich mich nicht irre, vor zwei oder drei Stunden.«
    »Und woran seht Ihr das jetzt wieder?«
    »Mein Gott! Ich hatte schon gehofft, du wärest auf dem besten Weg, wie ein Polizist zu denken! Es liegt frischer Tang unter dem Oberkörper der Leiche, was uns zeigt, dass das Wasser bei der letzten Flut bis eben dorthin gereicht hat. Aber seine Haare sind trocken, wie du siehst.«
    Der Wächter blickte beschämt zu Boden.
    »Natürlich«, murmelte er. »Aber wenn er nicht hier an Land getrieben ist und er weder getragen noch mit einem Karren transportiert wurde, wie ist er dann hierher gekommen?«
    »Nun, möglicherweise auf einem Pferd. Ein Gaul hinterlässt keine so tiefen Spuren wie ein Karren, oben in der weichen Erde am Bach hätten aber Spuren zu sehen sein müssen.«
    »Habt Ihr etwa darauf geachtet, ob auf dem Weg, über den wir hierher gelangt sind, Hufabdrücke zu sehen waren?«, fragte der Wächter voller Bewunderung.
    »Bei der Polizeiarbeit geht es darum, Geschehenes wieder auferstehen zu lassen. Wir müssen eine Geschichte nacherzäh len. Und alle Geschichten hinterlassen irgendwelche Spuren in der Landschaft. Ein Polizist, der seine Augen nicht nutzt, ist kein guter Polizist.«
    Wieder machte der Wächter das beschämte Gesicht, das Nils Bayer nicht mochte.
    »Rufen wir uns die wahrscheinlichste Lösung vor Augen«, sagte er und sah den Wächter an.
    Der junge Mann dachte lange nach.
    »Er kann doch vom Weg hier runter getragen worden sein«, sagte er.
    »Genau! Er kann getragen worden sein. Was uns etwas sehr Wichtiges

Weitere Kostenlose Bücher