Die Melodie des Todes (German Edition)
gespart.«
»Haben Sie gestern Abend auch gestritten?«, fragte Singsaker.
»Ja, ich war wohl ein bisschen schroff zu ihr. Und sie hatte schlechte Laune, als sie ging. Aber Sie glauben doch nicht, dass … dass sie weggelaufen ist, um uns zu strafen? Das sähe ihr überhaupt nicht ähnlich. Sie ist impulsiv, aber nicht nachtragend.«
»Geht in der Regel Ihre Tochter mit dem Hund raus?«, warf Gran ein.
»Ja, sie liebt diesen Hund. Sitzt stundenlang mit ihm rum und singt ihm was vor. In erster Linie ist das ihr Hund, und sie kümmert sich auch um ihn.«
Singsaker stand auf und streckte seine Beine aus. Die Erfrischung nach dem morgendlichen Bad war verschwunden.
»Wir brauchen den vollen Namen, die Adresse und die Telefonnummer von diesem Fredrik«, sagte er.
»Alm, Fredrik Alm«, sagte Ivar Edvardsen. Auch er stand auf. »Ich glaube nicht, dass wir die Nummer haben, und die beiden gehen auch nicht in die gleiche Klasse. Aber er wohnt ganz in der Nähe, in der Veimester Krohgs gate. Alms stehen bestimmt im Telefonbuch.«
»Danke! Wie sieht es mit besten Freundinnen aus? Hat sie da jemanden?«, fragte Gran, während sie Singsaker hinterherschaute, der durch das Zimmer zu laufen begonnen hatte.
»Ja, die haben eine Clique. Aber Julie ist nicht der Typ für eine beste Freundin, wie sie viele Mädchen ihres Alters haben. Sie ist eigentlich mit allen gleich gut befreundet«, sagte Elise Edvardsen.
»Dann brauchen wir alle Namen.« Singsaker setzte sich wieder, während Ivar Edvardsen in die Küche ging und kurz darauf mit einem Blatt Papier zurückkam.
»Hier ist die Klassenliste. Ich habe die Namen der Mädchen unterstrichen, mit denen sie am häufigsten zusammen ist«, sagte er und gab Singsaker das Blatt.
Jetzt erhoben beide Polizisten sich gleichzeitig.
»Wir werden Ermittlungen in der unmittelbaren Nachbarschaft einleiten, vorher aber noch mit ihren Freundinnen re den. Bis auf Weiteres gehen wir davon aus, dass sie bei irgend einer bekannten Person ist. Es wäre gut, wenn Sie uns eine Liste über mögliche Kontaktpersonen machen könnten. Verwandte, Freunde außerhalb der Schule und so weiter. Ich hoffe, wir finden sie so schnell wie möglich.«
»Dann glauben Sie nicht, dass …«, fragte Elise Edvardsen, »…dass das etwas mit diesem Fall zu tun hat?«
»Wenn Sie an den Mord in der Ludvig Daaes gate denken … Nein, es ist noch viel zu früh, um etwas dazu zu sagen«, sagte Singsaker. »Im Moment deutet nichts in diese Richtung. Das Opfer war fremd in der Stadt und deutlich älter als Julie. Die meisten Vermisstenfälle klären sich recht zügig auf und die Vermissten tauchen relativ schnell wieder auf.«
»Ich habe gehört, dass eine Spieldose bei der Toten gefunden wurde. Wie grausam. Und Sie tun wirklich alles, um ausschließen zu können, dass … dass dieses Schwein Julie in seiner Gewalt hat?«
»Natürlich tun wir das«, sagte Singsaker und versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie verärgert er darüber war, dass das Detail mit der Spieldose bereits an die Presse gedrungen war. Vermutlich hatte einer der Zeugen, mit denen sie gesprochen hatten, diese Info an Taneski & Co. weitergegeben. »Ma chen Sie sich keine Sorgen. Und denken Sie daran, dass die Wahr scheinlichkeit eines Zusammenhangs sehr gering ist«, fügte er hinzu.
Etwas in Singsaker wehrte sich gegen seinen Optimismus, den er verbreitete. Außerdem hatte er keine Ahnung, ob das, was er sagte, die Eltern tatsächlich beruhigte.
»Wir brauchen ein Bild von ihr. Ein möglichst neutrales, auf dem sie nicht zu sehr lächelt oder rumalbert«, sagte er.
Ivar Edvardsen holte ein Foto aus der Küchenschublade.
Auf dem Bild stand Julie Edvardsen draußen im Garten. Es war Herbst, die Blätter an den Bäumen waren gelb. Neben ihren Füßen lag ein Bernhardiner. Sie sah ernst aus, selbstbewusst und älter als sechzehn Jahre. Sie hatte schulterlange, dunkelblonde Haare und braune Augen, und auf ihrer Haut lag noch die Sonnenbräune des Sommers. Er steckte das Bild in die Tasche, ehe er den Mantel anzog.
Dann dankten sie den beiden, verabschiedeten sich und traten nach draußen in das Schneetreiben.
»Verdammt! Eigentlich hatte ich heute frei!«, schimpfte Singsaker, als sie über den Markvegen gingen.
»Hm«, sagte Gran. »Und ich einen Arzttermin.«
»Arzt? Ich hoffe, nichts Ernstes?«, fragte Singsaker und bereute es sofort. Er neigte sonst nicht zur Vertrautheit mit seinen jungen Kollegen. Aber Mona Gran war irgendwie
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