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Die Melodie des Todes (German Edition)

Die Melodie des Todes (German Edition)

Titel: Die Melodie des Todes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jørgen Brekke
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er sich unvermittelt den Ringfinger und den kleinen Finger ab.
    Prothesen, dachte sie.
    Er ließ sie wie beiläufig auf den Boden fallen und nahm den Elektroschocker in die andere Hand.
    »Die sind nur im Weg, wenn ich richtig arbeiten will«, sagte er. »Aber echt sehen sie schon aus, oder? Leute, die mich nur flüchtig kennen, bemerken sie gar nicht. Und mehr als flüchtig kennt mich kaum jemand.« Er lachte. »Ich bin ein Zauber künstler«, fuhr er fort. »Es kommt darauf an, mit der linken Hand aktiv zu sein und auf diese Weise die Aufmerksamkeit von der rechten abzulenken.«
    Damit richtete er seinen Blick auf sie, trat ein paar Schritte vor und schwang die Waffe gegen sie. Wobei er ihre Reaktionsgeschwindigkeit unterschätzte. Seit sie sieben Jahre alt war, stand Julie Evardsen im Tor des lokalen Handballvereins. Sie war es gewohnt, auf Dinge zu reagieren, die auf sie zukamen. Ein halber Schritt zur Seite und ein Wippen in den Knien reichten, dass er sie verfehlte und sein Arm über ihrer Schulter ins Leere stieß. Sie packte zu und biss ihm voller Panik und durch den Stoff seines Hemds in den Arm. Sie schmeckte Blut, und er heulte auf, als sie ihm das Knie in den Unterleib rammte. Er sackte auf die Knie, und im gleichen Moment stürmte sie an ihm vorbei in Richtung Tür.
    Aber sie war nicht schnell genug. Seine dreifingrige Hand packte ihr Fußgelenk. Sie stürzte gegen die Eingangstür und schlug hart mit dem Kopf auf. Dann war alles dunkel geworden – für lange –, wobei sie manchmal Schweiß gerochen und eine Stimme zu hören geglaubt hatte, die eine unbekannte Me lodie summte.
    Als sie wieder zu sich gekommen war, hatte sie gefesselt und geknebelt in diesem Kellerverschlag gelegen. Julie Edvardsen verfluchte sich selbst. Wie hatte sie nur so dumm sein können? Er war kein Fremder, sie kannte ihn, aber sie hätte es trotzdem verstehen müssen!

12
    Trondheim, 1767
    I ch bin mir ziemlich sicher, dass er erstochen wurde. Horrible dicto.«
    »Mit anderen Worten teilt der verehrte Herr Staatsphysikus meine Einschätzung. Der junge Herr, der dort vor uns liegt, ist also auf höchst unredliche Weise ins Jenseits befördert wor den.«
    Polizeimeister Nils Bayer betrachtete den blassen, mageren Mann, der gemeinsam mit ihm den Toten auf die Seite gedreht hatte, damit sie seinen Rücken sehen konnten. Er bemerkte die Schweißperlen auf der Stirn des Arztes, die unter der neuen grauen Perücke hervorkrochen, die er erst vor ein paar Wochen aus der Stadt des Königs zugeschickt bekommen hatte. Die dürfte im Sommer ziemlich warm sein, dachte der Polizeimeis ter. Er selbst begnügte sich damit, die Haare, die die Natur ihm gegeben hatte, mit Mehl zu pudern und im Nacken zu einem Pferdeschwanz zusammenzubinden. Aber der Schöpfer hatte ihn bei der Vergabe des Kopfschmucks auch recht reichlich bedacht. Seine Haare waren ebenso lebhaft und ausgeprägt wie sein Bauch und seine Vorstellungsgabe.
    Nils Bayer dachte, dass es schon etwas über Fredrici aussagte, dass er mit Perücke auftauchte, obwohl niemand sonst zugegen war. Dann wanderten seine Augen erneut nach unten zu der Leiche. Zwischen den Schulterblättern war eine kleine, kreisrunde Austrittswunde zu erkennen.
    »Ich erachte es als im höchsten Maße unwahrscheinlich, dass er diese gottlose Tat an sich selbst begangen hat«, sagte der Arzt. »Ein Objekt hat ihn mit tödlicher Kraft im Bauch getroffen und schließlich noch seinen Rücken durchstochen. Der Stoß muss von schräg unten ausgeführt worden sein, vielleicht von jemandem, der tiefer stand als er oder ganz einfach kleiner war?«
    »Nicht unbedingt. Die Waffe könnte auch durch einen Unterarmstoß in seinen Leib gerammt worden sein, von einem Gegner gleicher Größe, nicht wahr?«, erwiderte Nils Bayer. »Um was für ein Objekt könnte es sich gehandelt haben, Herr Staatsphysikus Fredrici?«
    »Genau diese Frage bereitet mir Kopfzerbrechen. Eine ge wöhnliche Lanze oder ein Speer war es nämlich nicht. Dafür sind die Verletzungen am Bauch zu umfassend. Vielleicht ein großer Säbel, von dem nur die äußerste Spitze den Rücken durchstoßen hat. Das würde die Schnittverletzungen am Bauch erklären.«
    Die beiden Männer drehten den Toten wieder auf den Rü cken. Mit angewinkelten Zeigefingern öffnete der Arzt die Bauchwunde des Mannes und begutachtete die Eingeweide.
    »Sowohl Colon als auch Ventriculus sind verletzt. Die Mordwaffe wurde dann weiter nach oben gedrückt, das ist an der Vertebrae

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