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Die Melodie des Todes (German Edition)

Die Melodie des Todes (German Edition)

Titel: Die Melodie des Todes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jørgen Brekke
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hatte Hunderte solcher Geschichten aus seinem Heimatland auf Lager. Der Polizeimeister selbst konnte nicht genug bekommen von Engels Erzählungen über das Leben an der Universität. Am meisten kam er aber wegen der Bücher und des Schnapses.
    »Setzt Euch, ich werde den Herrn holen«, sagte der Diener, nachdem er Bayer in eine große, helle Bibliothek geführt hatte. Durch die breiten Fenster und die Glastür schaute er in den hin ter dem Haus liegenden Garten, in dem mehrere Gärtner Blumen aus fernen Ländern in die Beete pflanzten, deren Namen Bayer nicht kannte. Im Raum selbst hatten die wichtigsten Bücher bereits ihren Platz gefunden. Sie nahmen ein breites Regal ein, das sich über die gesamte Wand erstreckte. Bayer trat an das Regal und strich mit der Fingerkuppe über einen kalbsle dernen Buchrücken, in den mit goldenen Buchstaben der Name des Autors, Jean-Jacques Rousseau, geprägt war, widerstand aber dem Drang, es herauszunehmen und darin zu blättern.
    Danach nahm er auf einem der goldbestickten Sessel Platz, schloss die Augen und spürte das Kribbeln auf seiner Stirn. Die breiten Fenster ließen die Sommersonne mit flirrender Hitze herein. Unbewusst fanden seine Finger die schmale Zinnfla sche in seiner Westentasche. Er fischte sie heraus und stellte fest, dass sie leer war. Trotzdem setzte er sie an die Lippen und ließ die letzten Tropfen auf seine Zunge rinnen.
    Die Tür ging auf. Ein schmales, blasses Gesicht kam zum Vorschein. Bayer erkannte Engels jüngste Tochter, Oda. Sie war dreizehn Jahre alt und dünn wie ein Blumenstängel.
    Sie sah ihn erschrocken an, trat wenige Schritte in den Raum herein, machte einen Knicks und entschuldigte sich. Es sah aus, als schwebe sie über den Boden. Sie war wie ein Vogeljunges. Bayer mochte sie nicht besonders.
    »Ich wusste nicht, dass jemand hier ist«, sagte sie. »Ich wollte nur nach draußen, um mir die neuen Blumen anzusehen.«
    Bayer lächelte sie an und zeigte zum Garten.
    »Lasst Euch nicht durch mich daran hindern, junges Fräulein«, sagte er.
    Sie nickte mit dem Kopf, vorsichtig, und ging auf die Glastür zu. Als sie sie öffnete, um nach draußen zu gehen, fragte er: »Wo ist Eure Schwester?«
    Eva Engel war drei Jahre älter und deutlich robuster. Bayer interessierte sich nicht sonderlich für junge Mädchen, er fand sie oft blutleer und mochte ihre hohen Stimmen nicht. Außerdem zog er Menschen vor, mit denen man vernünftig reden konnte und die nicht bei jedem Scherz rot wurden – und das galt auch für Frauen. Fräulein Eva war ihm seit ihrer ersten Begegnung sympathisch gewesen, wobei sie nicht oft miteinander geredet hatten. Wie jeder anständige Herr mit Respekt vor sich selbst, bewachte Søren Engel seine Töchter wie ein eifer süchtiger Hahn. Sie wurden grundsätzlich zu Bett geschickt, be vor der starke Branntwein auf den Tisch kam.
    »Eva ist verreist«, sagte Oda und sah zu Boden.
    »Verreist?«, fragte er. »Herr Engel hat nichts davon gesagt, als ich ihn vorgestern gesprochen habe.«
    »Es war eine sehr plötzliche Abreise. Ich habe selbst erst gestern davon erfahren.«
    Bayer hörte heraus, dass sie beleidigt war. Als hätte sie etwas gegen die plötzliche Reise ihrer Schwester einzuwenden.
    »Wisst Ihr, wohin sie gereist ist?«, fragte er.
    »Zu Verwandten nach Dänemark.«
    »Und wie lange bleibt sie fort?«
    »Mir ist gesagt worden, dass sie erst nächstes Jahr wieder kommt. Aber jetzt müsst Ihr mich entschuldigen. Die Blumen. Sind sie nicht schön?« Lachend drehte sie sich um und ging raus in den Garten.
    Bayer blieb sitzen und sah ihr nach. Die Sonne schimmerte in ihren hellen Locken.
    Søren Engel betrat den Raum.
    Wie immer lächelte er, als kenne sein Gemüt keinen anderen Ausdruck. Engel hatte ein breites Kinn, und seine dunkelbraunen Augen wirkten fast, als hätte er Ahnen aus südlichen Gefilden. An diesem Tag ging er ohne Perücke und hatte auch seine Haare nicht gepudert. Bayer nahm es als Zeichen der Freundschaft, dass er ihn so leger empfing. Er war aber wie immer tadellos gekleidet. Sein rostbrauner Samtrock reichte ihm bis zu den Schenkeln und trug auf der Brust ein gesticktes Wappen. Er verbeugte sich und nahm neben Bayer Platz.
    »Nun, was führt den Herrn Polizeimeister zu so früher Stunde in mein neues Heim?«
    »Lieber Freund und Wohltäter der Stadt, ich hoffe, ich komme nicht ungelegen.«
    »Lasst die Phrasen, sie kleiden Euch nicht. Außerdem ziehe ich den unformellen Ton zwischen uns vor. Habt Ihr

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