Die Melodie des Todes (German Edition)
einige wichtige Geschäfte zu erledigen. Für die Gesell schaft.«
Bayer nickte ehrwürdig, wie es sich für einen aufgeklärten Mann gehörte, wenn von der »Drontheimischen Gesellschaft« die Rede war.
»Wie ich höre, ist sie sehr erfolgreich?«
»Ja, die Burschen haben ordentlich Einsatz gezeigt. Die Stadt steht ganz vorn, wenn es um die Errichtung einer eigenen nor wegischen Wissenschaft geht.«
Mit den Burschen meinte Engel niemand Geringers als Bischof Johan Ernst Gunnerus, Rektor Gerhard Schøning und Staatsrat Peter Frederik Suhm, die »Die Drontheimische Gesellschaft« sieben Jahre zuvor gegründet hatten. Die zwei letzt genannten Pioniere waren aus der Stadt weggezogen, aber dank ihres und des Bischofs Einsatz hatte die Gesellschaft nicht nur im Land, sondern in der ganzen wissenschaftlichen Welt einen solchen Ruf erlangt, dass sie in Bälde darauf hoffen durften, die Anerkennung des Königs zu erhalten und sich dann »Königlich Norwegische Gesellschaft der Wissenschaften« nennen zu können. Bayer erfüllte das mit tiefem Stolz. Endlich sah er sich und seine Arbeit nicht mehr gar so sehr auf verlorenem Posten. Außerdem wusste er, dass der Mann, der zurückgelehnt mit einem Schnapsglas in der Hand vor ihm in einem Sessel saß, der mehr kostete als Bayer seinen Gehilfen im ganzen Jahr zahlte, mit seiner Unterstützung ganz wesentlich dazu beitrug, dass es einmal eine selbstständige norwegische Wissenschaft geben würde. Er hatte die finanziellen Mittel, die nötig waren, um eine solche Unternehmung auf die Beine zu stellen.
»Bedient Euch doch bitte noch einmal aus der Flasche. Ein Diener wird Euch nach draußen begleiten, wenn Ihr klingelt. Lebt wohl«, sagte Søren Engel.
Der Händler stand auf und ging zur Tür. Bayer konnte sich nicht erinnern, wann er den älteren Mann zum letzten Mal so ernst gesehen hatte. Er blieb mit der Hand auf der Klinke stehen.
»Mein lieber Bayer«, sagte er. »Ihr wisst, dass ich große Stücke auf Euch halte, auch wenn Ihr selbst nicht so viel von Euch zu halten scheint. Es macht den Eindruck, als hättet Ihr vor, Euch selbst zugrunde zu richten. Die mehr als zweitausend Reichs taler, die Ihr für Euer Amt gezahlt habt, waren kein gutes Geschäft. Vielleicht sollten der Stiftsamtmann und ich mal über diesen Schilling pro Tonne reden, für den Ihr Euch so sehr einsetzt. Es gibt kein Thema, bei dem der Stiftsamtmann nicht auf meinen Rat hören würde.«
»Wenn Ihr das für mich tun würdet?«, sagte Bayer gemessen.
»Für einen Freund tut man so etwas.«
»Und was erwartet Ihr von diesem Freund als Gegenleistung?«
»Bayer, ich muss sagen, dass mich Euer Misstrauen verletzt. Wobei das natürlich eine wichtige Eigenschaft für einen Mann im Polizeidienst ist. Trotzdem möchte ich Euch, bevor ich gehe, darum bitten, einmal darüber nachzudenken, was zu den Aufgaben eines Polizeimeisters gehört und was nicht. Wann habt Ihr zuletzt die Gewichte des Goldschmieds oder des Bäckers überprüft? Und wie sieht es mit den Freudenmädchen aus? Auch ein Mann von Stand braucht hin und wieder Zerstreuung, aber die ist in einer Stadt wie der unsrigen im Moment nur schwer zu finden. Ist es da nicht eine Vergeudung der Zeit, die Ihr unserem König schuldet, tagelang herumzulau fen und nach einem Mörder zu suchen, der längst verschwunden ist?«
Bayer blieb still sitzen. Dann sagte er: »Die kleinen Sünden haben mich nie interessiert.«
»Aber das sollten sie. Wisst Ihr denn nicht, dass die kleinen Sünden die Mütter der großen sind? Es würde mich sehr überraschen, wenn der Tod des bedauernswerten Schweden nicht auch mit Spiel oder Hurerei zu tun hätte.«
Mit diesen Worten öffnete Søren Engel die Tür, verbeugte sie vor einem Gemälde hinter dem Rücken des Polizeimeisters und verschwand. Als er allein im Raum war, fischte Bayer den Flachmann aus seiner Tasche und füllte ihn mit Engels Branntwein. Dann klingelte er nach dem Diener.
Es schien ein warmer, klarer Sommertag werden zu wollen. Ein ausgezeichneter Tag für einen Ritt über Land, vielleicht in Rich tung Ringve.
Sein Pferd Bukkephallos hatte außer dem Namen wenig gemein mit dem berühmten Pferd von Alexander dem Großen. Er hatte es vor viel zu vielen Jahren, damals noch in Kopenhagen, für viel zu viel Geld gekauft.
Er führte das Pferd, das er bedauerlicherweise als seinen ältesten Freund betrachten musste, aus dem Stall, den er sich mit einem Schuhmacher teilte, und ritt zum Fähranleger in
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