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Die Melodie des Todes (German Edition)

Die Melodie des Todes (German Edition)

Titel: Die Melodie des Todes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jørgen Brekke
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Stelle. Dieses Mal spritzten die Splitter aufs Eichenparkett.
    Elise Edvardsen wollte sich nicht damit abfinden, dass die Töne, die sie im Garten gehört hatte, nur Einbildung waren. An Schlaf war nicht zu denken, weshalb sie aufgestanden und in die Küche gegangen war. Jetzt stand sie weinend da und trat in die Glassplitter. Dann nahm sie noch ein Glas von der Arbeitsplatte und schleuderte es ohne zu zielen weg. Es knallte gegen die Wand über der Tür zum Wohnzimmer und die Glassplitter prasselten auf den Boden vor der Türschwelle. Am liebsten hätte sie ihre Pantoffeln ausgezogen und wäre über die Scherben gelaufen, damit sich das Glas durch ihre Haut schnitt. Der Gedanke an warmes Blut gab ihr eine seltsame Ruhe. Sie beugte sich vor und sackte schluchzend zu Boden.
    Ich muss die Polizei anrufen, ich muss es ihnen sagen, dachte sie.
    Stattdessen blieb sie am Boden hocken, bis Ivar aus dem Gar ten hereinkam. Auch er hatte nicht schlafen können und in der Einfahrt Schnee geschoben, weil im Laufe der Nacht noch mehr Schnee gefallen war. Dann bräuchte er das morgens nicht zu tun, hatte er gesagt. Als wenn das irgendeine Bedeutung hätte.
    »Elise, was ist denn hier passiert?«
    Was für ein idiotischer, aufgesetzter Tonfall, dachte sie.
    »Was kümmert dich das?«, fuhr sie ihn an.
    Stumm begann er die Scherben auf dem Fußboden zusammenzukehren, während sie leise weinte.
    »Das ist nicht fair«, sagte er schließlich. »Du weißt ganz genau, dass mir das nicht egal ist. Ebenso wenig wie dir. Ich versuche nur, mir die Kraft und die Hoffnung zu bewahren. Ich glaube nach wie vor, dass sie sie finden werden. Und jetzt sieh dir das mal an!« Er öffnete den Schrank unter dem Spülbecken und schüttete die Scherben in den Müll. »Weißt du, was du machst?«, fragte er. »Glas zerschlagen. So was tut man, wenn man verloren hat. Aber wir haben noch nicht verloren. Sie ist abgehauen. Man wird sie finden.«
    »Halt dein Maul, du Eisklotz.«
    Er wischte die Arbeitsplatte ab und räumte die heilen Gläser weg. Dann ging er zu ihr und beugte sich zu ihr hinunter.
    »Das meinst du nicht so!«
    Sie sah ihn an.
    »Ich weiß, Entschuldigung.«
    Er nahm ihre Hand und half ihr hoch. Ihre Arme legten sich um ihn und sie drückte sich an ihn. Wie zwei Teenager auf der Tanzfläche standen sie da, während sein Hemd an den Schultern langsam nass wurde.
    »Du hast recht, wir rufen die Polizei an«, sagte er. »Es könnte jemand draußen gewesen sein.«
    Da war die Melodie plötzlich wieder zu hören. Von draußen.
    »Hast du die Tür zugemacht, als du reingekommen bist?«, fragte sie und spürte im gleichen Moment den eisigen Luftzug.
    »Ich hab dich weinen gehört, vielleicht hab ich sie offen gelassen.«
    Gemeinsam gingen sie in den Flur und sahen durch die offene Tür die Gestalt im Schneetreiben stehen. Dieses Mal gab es keinen Zweifel mehr.
    Sie sah ihren Ehemann den Garderobenschrank öffnen, in dem sich auch der Waffenschrank befand. Die Gestalt musste sie inzwischen bemerkt haben, blieb aber reglos stehen. Die Melodie war so langsam wie beim ersten Mal, aber deutlicher zu hören, näher. So metallisch und rein, wie die Töne waren, konnte es sich eigentlich nur um eine Spieldose handeln. Sie sah ihren Mann die Schrotflinte aus dem Schrank nehmen. Der Waffenschrank war nicht abgeschlossen, dachte sie. Die Waffe hatte bereitgestanden. Dann hat er mir doch geglaubt.
    Sie sah ihn mit der Waffe in der Hand zur Tür stürzen, dann verschwamm alles wie hinter einem Nebelschleier, und sie sackte zu Boden. Noch immer bei Bewusstsein, aber zu benommen, um aufzustehen, blieb sie liegen und lauschte. Ivar brüllte. Dann waren Schritte zu hören, die sich schnell entfernten.
    Ivar Edvardsen ging seit Kindesbeinen auf die Jagd. Er schoss aber nur Vögel und Kleintiere. An die großen Tiere hatte er sich nie herangewagt. Der Gedanke an das viele Blut und die großen Körper, die zu Boden gingen, behagte ihm nicht und er hätte nie gedacht, einmal eine Waffe gegen einen lebenden Menschen zu erheben. Noch während er über die Einfahrt rannte, dachte er, dass er das auch jetzt nicht tun würde. Das Letzte, was er wollte, war, den Mann zu töten, der aller Wahr scheinlichkeit nach seine Tochter gefangen hielt. Diese Er kenntnis war ihm erstaunlich rasch gekommen. Vor einer hal ben Stunde hatte er diese Möglichkeit noch weit von sich gewiesen. Er hatte nichts anderes glauben wollen, als dass seine Tochter von zu Hause weggelaufen war und ihr

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