Die Melodie des Todes (German Edition)
Problem.«
Singsaker atmete schwer. Dafür konnte es zwei Erklärungen geben. Entweder war dieser Verrückte clever und wusste, wie er die Hunde überlisten konnte, oder er war durch die Schussverletzung verwirrt und wahllos hin und her gelaufen.
»Die Zielperson kann psychotisch sein. Auf jeden Fall ist sie verletzt und aggressiv«, sagte er zu Fjellstad.
Oben auf dem Markvegen fand der Hund die Fährte wieder. Sie hasteten über die Bernhard Getz’ gate, vorbei an der Ludvig Daaes gate und weiter über den kleinen Pfad am Lille Kuhaugen unweit des ersten Tatorts.
Zwischen den Bäumen war es stockfinster. Singsaker schaltete eine Taschenlampe ein und leuchtete vor dem Hund, der noch immer den Mann witterte, den sie verfolgten. Alle sichtbaren Spuren des Täters waren in der vergangenen Stunde vollständig verschneit. Singsaker versuchte, ruhig zu atmen und lauschte auf die Schritte der drei anderen Männer. Vielleicht war er ja noch hier und lauerte hinter einem Baum.
Der Pfad stieg steil zu dem Aussichtspunkt oben auf dem Lille Kuhaugen an. Dort stand eine kleine, mit Graffitis be sprayte Trafostation. Der Hund zog heftig an der Leine, bis sie das kleine Gebäude einmal umrundet hatten. Dann blieb er stehen.
»Verdammt!«, sagte Fjellstad. »Hier hat er wieder kehrtgemacht und ist den gleichen Weg zurückgelaufen. Vermutlich hat er irgendwo einen weiteren Abstecher gemacht, nur dass das überall zwischen hier und dem Åsbakken sein kann.«
»Heißt das, wir haben ihn verloren?«
Singsaker seufzte schwer und ließ seinen Blick über die Stadt schweifen, deren Lichter unter ihm glitzerten. Dann richtete er den Schein der Taschenlampe wieder auf den Pfad, über den sie gekommen waren. Der dunkle Wald gab ihm keine Antwort.
Auch Fjellstad sagte nichts und zuckte nur vorsichtig mit den Schultern. Dann gingen sie in ihren eigenen Spuren zurück.
Unten auf der Straße zeigte Fjellstad auf den von der Straße geschobenen Schnee.
»Jetzt kann die Räumung doch zu einem Problem werden. Der Pflug kann die Duftspur im Schnee verschoben haben. Auf jeden Fall genug, damit er nicht mehr zu der ursprüngli chen Fährte zurückfindet. Besonders problematisch ist das, wenn er in einem Garten oder noch schlimmer – in einem Auto verschwunden ist.«
Und Fjellstad sollte mit seiner Prognose recht behalten. Der Hund führte sie zum Markvegen zurück, wo sie auf Grongstads Plane blickten, die schon ganz verschneit war.
»Wir können es noch einmal vom Ausgangspunkt aus versuchen, aber ich fürchte, dass inzwischen zu viel Schnee gefallen ist und uns die Zeit wegläuft«, sagte Fjellstad.
Singsaker seufzte. Sie waren ihm so nah gewesen, hatten ihn fast gehabt und waren dann über eine falsche Fährte gestolpert. Allmählich war er die falschen Fährten in diesem Fall wirklich leid.
Trotzdem bat er Fjellstad, es noch einmal zu versuchen, wäh rend er selbst ins Haus ging.
*
Singsaker starrte wie verhext auf den kleinen Sänger mit dem weißen Jacket. Er hatte blaue Augen und seine grauen, langen Haare waren zu einem Pferdeschwanz zusammengefasst. Wirklich erstklassiges Handwerk. Die Spieldose stand auf der Ar beitsplatte in der Küche von Familie Edvardsen. Singsaker selbst hatte sie aufgezogen. Er trug weiße Handschuhe, die er sich von Grongstad geliehen hatte, der wie er gerade ins Haus gekommen war. Natürlich hatten beide Eheleute die Spieldose in den Händen gehabt, nachdem der Optiker sie vor dem Haus auf der Straße gefunden hatte. Trotzdem konnte es an ihr noch wichtige Spuren geben.
Singsaker lauschte der Musik. Es war die gleiche Melodie wie bei der Spieldose, die sie im Wald gefunden hatten. Er wusste nur zu gut, was das bedeutete. Und da der Fund der Spieldose am Tatort beim Kuhaugen längst von der Presse breitgetreten worden war, wussten auch Ivar und Elise Edvardsen Bescheid.
Als die Töne erstarben, nahm er die Spieldose und reichte sie Grongstad.
»Wäre wunderbar, wenn ihr die zuerst untersuchen könntet, vielleicht gibt es ja Fingerabdrücke oder biologische Spuren«, sagte er.
»Biologische Spuren haben wir reichlich«, sagte Grongstad. »Das Blut oben auf der Straße genügt sicher, um ein DNA- Profil zu erstellen. Vielleicht haben wir ihn ja schon in der Datenbank.«
»Er spielt mit uns«, sagte Singsaker. »Glaubst du wirklich, dass er gefasst werden will?«
»Keine Ahnung«, sagte Grongstad. »Auf jeden Fall bestätigt das unsere Annahme, dass wir es mit einem ungewöhnlichen Mörder zu tun
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