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Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...

Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...

Titel: Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manesse-Verlag
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der junge Lump viel Kühnheit und Schneid bewies, worauf ich überhaupt nicht gefasst war. Als ich ihn der Undankbarkeit zieh, sagte er: «Was schulde ich Ihnen denn? Ich habe für Sie geschuftet wie noch nie jemand für einen anderen, und ich habe ohne einen Penny Lohn gearbeitet. Sie selbst haben mich gegen Sie aufgebracht, indem Sie mir eine Aufgabe zugeteilt haben, gegen die sich meine Seele gesträubt hat – indem Sie mich Ihre unglückliche Frau haben bespitzeln lassen, deren Schwäche so erbarmungswürdig ist wie ihre Missgeschicke und die schurkische Art, in der Sie sie behandeln. Zuzusehen, wie Sie sie misshandeln, kann kein Mensch aus Fleisch und Blut ertragen. Ich habe versucht, ihr zur Flucht vor Ihnen zu verhelfen, und ich würde es wieder tun, wenn sich die Gelegenheit ergäbe, das sage ich Ihnen ins Gesicht!» Als ich drohte, ihm für seine Dreistigkeit das Gehirn wegzupusten, sagte er: «Pah! Den Mann töten, der Ihrem armen Jungen einmal
das Leben gerettet hat, der versucht hat, ihn vor Untergang und Verderben zu bewahren, in die ihn ein schlimmer Vater stürzte, als sich plötzlich eine gnädige Macht eingeschaltet und ihn diesem Haus des Verbrechens entrissen hat? Ich hätte Sie schon vor Monaten verlassen, habe aber auf eine Möglichkeit gehofft, diese unglückliche Lady zu retten. An dem Tag, als ich sah, wie Sie sie geschlagen haben, habe ich geschworen, dass ich es versuchen würde. Bringen Sie mich nur um, Sie Frauenschinder! Sie würden es tun, wenn Sie sich trauten, aber Sie haben nicht den Mumm. Sogar Ihre Diener mögen mich lieber als Sie. Legen Sie Hand an mich, und alle werden sich erheben und Sie an den Galgen bringen, den Sie verdienen!»
    Ich unterbrach diese artige Rede, indem ich dem jungen Gentleman eine Wasserflasche an den Kopf warf, was ihn niederstreckte; dann dachte ich über das nach, was er zu mir gesagt hatte. Der Bursche hatte ja wirklich dem armen kleinen Bryan das Leben gerettet, und der Junge war ihm gegenüber bis zu seinem Todestag sehr anhänglich gewesen. «Sei gut zu Redmond, Papa», waren beinahe seine letzten Worte, und auf seinem Totenbett versprach ich dem armen Kind, dass ich seine Bitte erfüllen würde. Es
stimmte auch, dass es ihm gelungen war, sich bei meinen Leuten sehr beliebt zu machen, und sie es folglich nicht schätzen würden, wenn ich grob mit ihm umspränge; obwohl ich mich oft mit dem Gesindel betrank und viel vertrauter mit ihnen umging, als das bei einem meines Rangs üblich ist, liebten sie mich doch keineswegs, wie ich wohl wusste, und die Lumpen murrten dauernd gegen mich.
    Ich hätte mir die Mühe ersparen können, über sein künftiges Schicksal nachzudenken, denn der junge Gentleman entzog mir die Verfügung darüber auf die einfachste Art der Welt, indem er nämlich, sobald er wieder bei sich war, seinen Kopf wusch und verband, sein Pferd aus dem Stall holte und (er konnte ja in Haus und Park kommen und gehen, wie es ihm gefiel) ohne Verlaub oder Verbot verschwand. Das Pferd ließ er bei der Fähre zurück und reiste in ebenjener Kalesche ab, die auf Lady Lyndon wartete. Ich sah und hörte längere Zeit nichts mehr von ihm und hielt ihn nun, da er aus dem Haus war, nicht mehr für einen besonders gefährlichen Gegner.
    Aber List und Tücke der Frau sind so beschaffen, dass ihnen auf Dauer kein Mann entrinnen kann, und wäre er Machiavelli 456 persönlich.
Zwar besaß ich hinsichtlich der geschilderten Vorgänge (dank meiner Voraussicht waren die perfiden, ihre eigene Handschrift tragenden Pläne meiner Frau durchkreuzt worden) reichlich Beweise für die Falschheit ihres Charakters und ihren Hass auf mich, aber dennoch gelang es ihr, meinen Vorkehrungen und der Wachsamkeit meiner Mutter zum Trotz, mich zu täuschen. Hätte ich den Rat der lieben Dame befolgt, so wäre ich nie in die mir gestellte Falle gestolpert, welche ebenso schlicht wie erfolgreich war.
    Die Beziehung zwischen Lady Lyndon und mir war ganz eigenartig. Sie lebte in einer Art von verrücktem Schwanken zwischen Liebe zu mir und Hass auf mich. Zeigte ich mich ihr gegenüber gutmütig (was zuweilen geschah), gab es nichts, was sie nicht getan hätte, um mich noch günstiger zu stimmen, und in den Bekundungen ihrer Liebe war sie ebenso wirr und heftig wie zu anderen Zeiten in denen ihres Hasses. Nach meiner Erfahrung sind es in dieser Welt nicht die schwachen, umgänglichen Gatten, die am meisten geliebt werden. Ich glaube, Frauen wissen ein etwas heftigeres Temperament

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