Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...
Antwort im Gegenzug eine Geldforderung wegen Schulden und angeblicher Ansprüche, die das raubgierige Gesindel an mich zu haben behauptete.
Es gereichte mir daher durchaus zum Vergnügen, als ich von meinem Vertrauensmann aus Gray’s Inn, 457 London, einen Brief erhielt, in dem es (in Beantwortung meiner neunundneunzigsten
Bitte) hieß, er glaube mir ein wenig Geld beschaffen zu können; beigefügt war das Schreiben einer respektablen Firma der Londoner City, die mit Bezug auf meine Grubenbeteiligungen anbot, die Verpflichtungen gegen eine langfristige Pacht bestimmter Besitzungen von uns abzulösen, die noch relativ unbelastet waren, die Unterschrift der Gräfin ebenso vorausgesetzt wie eine hinlängliche Versicherung, dass sie diese aus freien Stücken geleistet habe. Man habe gehört, hieß es weiter, sie lebe in Todesangst vor mir und erwäge eine Trennung, in welchem Fall sie alle unter Zwang gezeichneten Dokumente für nichtig erklären und diese zumindest einem teuren Rechtsstreit von zweifelhaftem Ausgang unterwerfen könne, weshalb man nun eine Zusicherung von Myladys vollkommenem und unter freiem Willen gegebenen Einverständnis verlange, ehe man auch nur einen Shilling vorauszuzahlen bereit sei.
Die Bedingungen waren so exorbitant, dass ich sogleich an die Ehrlichkeit des Angebots glaubte, und da meine Gemahlin gerade in gnädiger Laune war, konnte ich sie ohne Schwierigkeiten dazu bewegen, eigenhändig einen Brief zu schreiben, in dem sie erklärte, die Berichte über unsere Zwietracht seien bloße Verleumdungen,
wir lebten in vollkommener Eintracht und sie sei jederzeit bereit, jegliche Urkunde auszustellen, die ihr Gemahl sie zu unterzeichnen bitte.
Das Angebot kam zur rechten Zeit und erfüllte mich mit großen Hoffnungen. Ich habe es unterlassen, meine Leser mit ausgiebigen Darlegungen meiner Schulden und Rechtshändel zu belästigen, die längst so weitreichend und verwickelt waren, dass ich selbst sie nie völlig überblickte, und deren Dringlichkeit mich beinahe verrückt werden ließ. Es mag die Mitteilung genügen, dass mein Geld dahin war – mein Kredit war erschöpft.Ich lebte in Castle Lyndon von eigenen Rindern und Hammeln sowie Brot, Torf und Kartoffeln vom eigenen Gut; ich hatte drinnen auf Lady Lyndon und draußen auf die Büttel zu achten. Die vergangenen beiden Jahre, seit ich nach Dublin gereist war, um Geld zu erhalten, das ich dort zur Enttäuschung meiner Gläubiger unglücklich im Spiel verlor, wagte ich es nicht mehr, mich in dieser Stadt zu zeigen, und konnte mich auch im Hauptort unserer Grafschaft nur in großen Abständen und nur deshalb blicken lassen, weil ich die dortigen Sheriffs kannte und geschworen hatte, ich würde sie umbringen, falls mir etwas zustieße.
Die Aussicht auf ein gutes Darlehen war mir also äußerst willkommen, und ich begrüßte sie mit allem erdenklichen Eifer.
Zur Antwort auf Lady Lyndons Brief kam nach einiger Zeit ein Schreiben von den verflixten Londoner Kaufleuten; darin hieß es, wenn Mylady mündlich in ihrem Geschäftshaus in der Birchin Lane, London, die in ihrem Brief enthaltenen Erklärungen bestätige, werde man nach eingehender Begutachtung des Besitzes zweifellos zum Abschluss gelangen; man lehne es jedoch ab, zum Zweck von Verhandlungen das Risiko eines Besuchs in Castle Lyndon auf sich zu nehmen, da man wisse, wie dort andere respektable Geschäftsleute, etwa die Herren Sharp und Salmon aus Dublin, behandelt worden seien. Dieser Hieb galt mir; es gibt jedoch gewisse Situationen, in denen man die eigenen Bedingungen nicht durchsetzen kann, und ich brauchte nun wahrlich so dringend Geld, dass ich einen Vertrag mit Satan persönlich unterschrieben haben würde, wenn er mit einer hübschen runden Summe erschienen wäre.
Ich beschloss, nach London zu reisen und die Gräfin mitzunehmen. Meine Mutter bat und warnte mich vergebens. «Verlass dich darauf», sagte sie, «dahinter verbirgt sich irgendeine
Teufelei. Sobald du in diese sündhafte Stadt kommst, bist du nicht mehr sicher. Hier kannst du jahrelang in Luxus und Pracht leben, abgesehen davon, dass es keinen Rotwein gibt und alle Fenster zerbrochen sind; aber sobald sie dich in London haben, werden sie meinen armen arglosen Jungen übertölpeln, und als Erstes werde ich von dir hören, dass du in der Klemme steckst.»
«Warum reisen, Redmond?», sagte meine Frau. «Ich bin hier glücklich, solange du nett zu mir bist wie im Moment. Wir können in London nicht so auftreten, wie wir
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