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Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...

Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...

Titel: Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manesse-Verlag
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sollten; das wenige Geld, das du dort erhältst, wird schnell ausgegeben sein, wie alles andere bisher. Lass uns Schäfer und Schäferin werden, uns um unsere Herde kümmern und zufrieden sein.» Und sie nahm meine Hand und küsste sie, während meine Mutter nur sagte: «Hm! Ich glaube, dahinter steckt sie – die böse Intrigantin !»
    Ich sagte meiner Frau, sie sei eine Närrin, bat Mrs Barry, sich keine Sorgen zu machen, wollte unbedingt aufbrechen und von beiden keinen Widerspruch dulden. Die Frage war, wie ich das Geld für die Reise aufbringen könne; das Problem wurde jedoch von meiner lieben Mutter gelöst, die immer bereit war, mir aus einer Klemme zu helfen und aus einem Strumpf
sechzig Guineen hervorholte. Das war alles, was Barry Lyndon von Castle Lyndon, vermählt mit einem Vermögen von zwanzigtausend im Jahr, an verfügbarem Geld auftreiben konnte, so sehr war dieses schöne Vermögen durch meine eigene Extravaganz verheert worden (wie ich zugeben muss) – vor allem aber durch mein fehlgeleitetes Vertrauen und die Schurkerei anderer.
    Natürlich brachen wir nicht mit Pomp auf. Wir ließen das Land nicht wissen, dass wir abreisten, und sagten unseren Nachbarn nicht Lebewohl. Der berühmte Mr Barry Lyndon und seine edle Gattin fuhren unter den Namen Mr und Mrs Jones in einem gemieteten Zweispänner nach Waterford und schifften sich dort nach Bristol ein, wo wir ohne jeden Zwischenfall ankamen. Wie leicht und angenehm doch die Reise ist, wenn man zum Teufel geht! Der Gedanke an das Geld versetzte mich in recht gute Stimmung, und meine Frau, die sich in der Postkutsche nach London an meine Schulter lehnte, sagte, dies sei die glücklichste Fahrt seit unserer Hochzeit.
    Wir blieben eine Nacht in Reading; von dort sandte ich meinem Agenten in Gray’s Inn die Nachricht, dass ich im Lauf des Tages bei ihm einträfe und er mir bitte eine Unterkunft beschaffen
und die Vorbereitungen für das Darlehen beschleunigen möge. Mylady und ich beschlossen, nach Frankreich weiterzureisen und dort auf bessere Zeiten zu warten; an diesem Abend schmiedeten wir beim Essen ein Dutzend Pläne, Vergnügen und Einschränkungen betreffend. Man hätte meinen können, es säßen Darby und Joan 458 beim Abendessen. O Weib, Weib! Wenn ich mich an Lady Lyndons Lächeln und ihre Liebkosungen erinnere – wie glücklich schien sie in dieser Nacht zu sein! Welch schlichtes Vertrauen in ihrem Verhalten aufschien, welch liebevolle Namen sie mir gab! Ich bin sprachlos vor Staunen ob der Abgründe ihrer Heuchelei. Wen nimmt es da wunder, dass ein argloser Mensch wie ich Opfer solch einer vollkommenen Betrügerin wurde?
    Um drei Uhr waren wir in London, und eine halbe Stunde vor der ausgemachten Zeit fuhr unser Wagen nach Gray’s Inn. Mühelos fand ich Mr Tapewells Räumlichkeiten – eine düstere Höhle, die ich zu einer unseligen Stunde betrat! Als wir die schmutzige Hintertreppe hinaufgingen, erhellt von einer schwächlichen Leuchte und dem matten Himmel eines trüben Londoner Nachmittags, schien meine Frau erregt und einer Ohnmacht nah. «Redmond», sagte sie, als
wir zur Tür kamen, «geh nicht hinein; ich bin sicher, dort lauert Gefahr. Noch ist Zeit, lass uns heimreisen – nach Irland – irgendwohin!» Sie stellte sich in einer ihrer theatralischen Posen vor die Tür und nahm meine Hand.
    Ich schob sie einfach zur Seite. «Lady Lyndon», sagte ich, «Sie sind eine alte Närrin!»
    «Alte Närrin!», sagte sie und stürzte sich auf die Glocke. Alsbald erschien ein Gentleman in ungepuderter Perücke, der angeschimmelt wirkte und dem sie zurief: «Sagen Sie, Lady Lyndon sei hier.» Dann stapfte sie den Flur entlang, während sie «Alte Närrin» murmelte. Das Beiwort «alt» war das, was sie getroffen hatte. Ich hätte alles andere zu ihr sagen dürfen, nur dies nicht.
    Mr Tapewell hielt sich in seinem verstaubten Zimmer auf, umgeben von seinen Pergamenten und Blechkisten. Er trat vor und verbeugte sich, bat Mylady, sich zu setzen, wies mir einen Stuhl an, auf dem ich mich ganz verblüfft ob seiner Unverschämtheit niederließ, zog sich zu einer Seitentür zurück und sagte, er werde gleich wieder da sein.
    Und wirklich kam er gleich zurück, begleitet von – was meinen Sie wohl? Einem weiteren Anwalt, sechs Konstablern 459 in roten Röcken
mit Knüppeln und Pistolen, Mylord George Poynings und dessen Tante, Lady Jane Peckover.
    Als Lady Lyndon ihre alte Flamme sah, warf sie sich in einer hysterischen Aufwallung in seine

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