Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...
Arme. Sie nannte ihn ihren Erlöser, ihren Retter, ihren tapferen Ritter; dann wandte sie sich mir zu und überschüttete mich mit einer Flut von Beschimpfungen, die mich sehr erstaunten.«Ich mag eine alte Närrin sein», sagte sie, «aber ich habe das gerissenste, tückischste Ungeheuer unter der Sonne überlistet. Ja, ich war wirklich eine Närrin, als ich Sie geheiratet und andere, edlere Herzen Ihretwegen aufgegeben habe – ja, ich war eine Närrin, als ich meinen Namen und meine Herkunft vergaß, um mich mit einem Abenteurer von niedriger Geburt zu vereinigen – eine Närrin, dass ich ohne zu jammern die ungeheuerlichste Tyrannei ertragen habe, die jemals eine Frau erleiden musste, dass ich es zugelassen habe, dass mein Besitz vergeudet wird, dass ich Frauen geduldet habe, ebenso niedrig und schäbig wie Sie selbst …»
«Um Himmels willen, seien Sie still!», rief der Anwalt; dann tat der Schurke einen Satz rückwärts und versteckte sich, als er in meinen Augen einen drohenden Blick sah, der ihm nicht gefiel, hinter den Konstablern. Ich hätte ihn
wirklich in Stücke reißen mögen, hätte er sich mir genähert. Inzwischen wütete Mylady weiterhin zusammenhanglos, beleidigte kreischend mich und vor allem meine Mutter, überhäufte sie mit Beschimpfungen, die eines Marktweibs würdig gewesen wären, und begann und beendete die Sätze immer mit dem Wort «Närrin».
«Sie unterschlagen einen Teil, Mylady», sagte ich bitter. «Ich habe ‹alte Närrin› gesagt.»
«Ich zweifle nicht daran, Sir, dass Sie alles gesagt und getan haben, was ein Lump nur sagen und tun kann», warf der kleine Poynings ein. «Die Lady ist jetzt in Sicherheit, unter dem Schutz ihrer Verwandten und des Gesetzes, und braucht Ihre niederträchtigen Nachstellungen nicht mehr zu fürchten.»
«Aber Sie sind nicht in Sicherheit», brüllte ich, «und so gewiss ich ein Ehrenmann bin und schon einmal Ihr Blut geschmeckt habe, werde ich jetzt Ihr Herzblut kosten.»
«Notieren Sie seine Worte, die Herren Wachtmeister; zeigen Sie ihn beim Friedensrichter wegen Bedrohung an!», schrie der kleine Anwalt hinter ihren Konstablerstäben. 460
«Ich würde meinen Degen nicht mit dem Blut eines derartigen Raufbolds besudeln», rief
Mylord, wobei er sich auf denselben tüchtigen Schutz verließ. «Wenn der Schurke noch einen Tag länger in London bleibt, wird man ihn als gewöhnlichen Betrüger festnehmen.»
Diese Drohung ließ mich wirklich zusammenzucken, denn ich wusste ja, dass in der Stadt Dutzende Vollstreckungsbefehle gegen mich umliefen und mein Fall hoffnungslos wäre, wenn ich erst im Gefängnis steckte. «Wer wagt es denn, mich festzunehmen?», schrie ich, zog den Degen und brachte die Tür in meinen Rücken.«Der Lump soll vortreten. Sie da – Sie feiger Maulheld, kommen Sie als Erster, wenn Sie eine Männerseele haben!»
«Wir werden Sie gar nicht festnehmen!», sagte der Anwalt, und während er redete, entfernten sich Mylady, ihre Tante und ein Teil der Büttel. «Mein lieber Sir, wir wollen Sie gar nicht festnehmen; wir werden Ihnen eine hübsche Summe geben, damit Sie das Land verlassen, nur lassen Sie Mylady in Frieden!»
«Und es wird dem Land guttun, solch einen Schuft loszuwerden», sagte Mylord, der sich ebenfalls verzog und sicher nicht traurig war, außerhalb meiner Reichweite zu gelangen; der Lump von einem Anwalt folgte ihm, sodass ich in Gesellschaft dreier bis an die Zähne bewaffneter
Büttel zurückblieb. Ich war nicht mehr der Mann, der ich mit zwanzig gewesen war; damals hätte ich die Grobiane mit dem Degen in der Hand angegriffen und wenigstens einen von ihnen zu seiner letzten Abrechnung geschickt. Mein Mut war zerbrochen, ich hatte mich im Spinnennetz verfangen, war völlig ratlos und von dieser Frau besiegt. War sie an der Türweich geworden, als sie stehen blieb und mich bat, nicht hineinzugehen? Empfand sie doch noch ein Fünkchen Liebe für mich? Wenn ich es recht bedachte, deutete ihr Verhalten daraufhin. Dies war die einzige Chance, die mir nun in der Welt noch blieb, deshalb legte ich meinen Degen auf den Schreibtisch des Anwalts.
«Gentlemen», sagte ich, «ich werde keine Gewalt anwenden; Sie können Mr Tapewell sagen, dass ich bereit bin, mit ihm zu reden, sobald es ihm gefällt!» Damit ließ ich mich nieder und verschränkte ganz friedfertig die Arme. Welcher Unterschied zu dem Barry Lyndon alter Tage! Aber wie ich in einem alten Buch über Hannibal, den karthagischen General, gelesen habe:
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