Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...
Frau, die vier Jahre später während ihrer dritten Schwangerschaft geisteskrank wurde, und war danach genötigt, den Lebensunterhalt für sich, seine kranke Frau und die beiden Töchter mit der Feder zu verdienen. Die Ehefrau überlebte ihn um mehr als dreißig Jahre, die ältere Tochter wurde eine erfolgreiche Schriftstellerin, die jüngere heiratete den Literaten Leslie Stephen, der in zweiter Ehe der Vater von Virginia Woolf wurde.
Thackeray schrieb Kurzprosa meist satirischen Charakters, voll von Parodie, Persiflage, Karikatur, burleske Skizzen und Humoresken, die ihren Witz aus der Sichtweise beschränkter Figuren, etwa des Bediensteten James Yellowplush oder des Gesellschaftslöwen George Savage Fitz-Boodle, gewinnen, er mokierte sich über die Verherrlichung des Mittelalters à la Walter Scott und den Kult des Romantischen, schrieb mit scharfer Feder über die gute Gesellschaft, das feine Leben, die gesellschaftlichen Regeln, die Aristokraten und deren Karikatur, die Snobs, die all das simulieren und imitieren, was ihren Blick blendet. Die erfolgreichste dieser Arbeiten, eine 53-teilige Serie im Punch , die er später zum Buch der Snobs umarbeitete, trug Thackeray erste Lorbeeren, aber auch die Missgunst der konservativen Gesellschaft ein, die in diesen leichthändigen Texten den Widerspruch zwischen viktorianischer Moral und sozialer Praxis aufgedeckt sah, gemäß der Feststellung von Upton Sinclair: «Mit Dickens treten wir in das Leben der Armen, mit Thackeray in das der Reichen ein, und es fällt schwer zu sagen, welche Klasse größeren Anspruch auf unser Mitleid hat.»
Der Satz könnte als Motto über Thackerays
Roman Die Memoiren des Barry Lyndon stehen, der 1844 in Fortsetzungen in Fraser’s Magazine erschien, unter dem Autorenpseudonym G.S. Fitz-Boodle (engl. boodle : «Schwindel») und dem Titel: Das Glück des Barry Lyndon: Ein Roman aus dem letzten Jahrhundert . Das Buch wurde von der Leserschaft nicht gut aufgenommen. Es verzichtete nicht nur auf den damals unvermeidlichen«positiven Helden», sondern bot überhaupt in sehr direkter, oft derber Form eine als unerquicklich empfundene Geschichte dar, voll satirischer Bitterkeit und mit einem manchmal nihilistisch anmutenden Humor. Erzählt werden Leben und Taten eines irischen Abenteurers aus dem 18. Jahrhundert, der alle möglichen Schurkereien und Schuftigkeiten begeht und sich durch Schlagfertigkeit, Energie und unerschütterliches Selbstbewusstsein in einer Welt der Privilegien und der Gewalt zu behaupten weiß. Geboren als Redmond Barry, verlässt er seine irische Heimat in dem Glauben, bei einem Duell seinen Gegner getötet zu haben, wird Soldat in der englischen Armee während des Siebenjährigen Kriegs, desertiert mit betrügerischen Manövern, fällt in die Hände der Preußen und wird neuerlich zum Kriegsdienst gepresst, lebt einige Zeit als Ordonnanz in Berlin und
entkommt mit Hilfe seines Onkels, des Chevalier de Balibari, mit dem er fortan als Berufsspieler von Hof zu Hof durch halb Europa zieht. Er wandelt sich zum Mitgiftjäger, heiratet eine der reichsten Frauen Englands und nennt sich nun Barry Lyndon. Sogar ein Sitz im Parlament fällt ihm zu, aber dann verspielt er seinen Reichtum und misshandelt seine Frau, die sich zuletzt von ihm trennt. Die letzten neunzehn Jahre seines Lebens verbringt er im Londoner Schuldgefängnis, wo er seine Memoiren zu Papier bringt und, umsorgt von seiner alten Mutter, an Trunksucht allmählich zugrunde geht.
Äußerlich folgt das Buch dem Modell des Schelmenromans, und Fieldings pikareske Helden von Tom Jones bis Jonathan Wild haben Thackeray offenkundig als Vorbild gedient. Aber während in der Geschichte des Tom Jones selbst bei seinen Streichen und galanten Missetaten jederzeit die Herzensgüte durchscheint, ist Barry Lyndons Verhalten bestimmt von Roheit, Verschlagenheit und nacktem Egoismus. Das hat entscheidend zur Unbeliebtheit des Buches beigetragen. Da der Autor die ganze Geschichte auch noch seinem prahlerischen Helden selbst in den Mund gelegt hat, muss der Leser sein Verhältnis zu dem Ich-Erzähler fortwährend neu
bestimmen und nicht selten korrigieren. Von Anfang bis Ende schwebt er im Ungewissen, da Barry Lyndon gleichsam mit zwei Stimmen spricht: Die eine Stimme spricht den Text, den wir lesen, die andere teilt all die unausgesprochenen Implikationen mit, die meist auf das Gegenteil des Gesagten hinauslaufen, ohne dass es dem Erzähler selbst bewusst ist. Manchmal verleitet ihn
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