Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...
veröffentlichen und dadurch Mylords Verbindung mit Miss Driver zu verhindern, einer reichen Erbin mit strengen Grundsätzen und ungeheurem Sklavenbesitz in Westindien. Barry entging nur knapp einer Festnahme durch Büttel, die Seine Lordschaft nach ihm ausgeschickt hatte; Mylord wollte die Zahlung von Mr Lyndons Rente einstellen lassen, doch mochte dessen Gemahlin diesem Akt der Gerechtigkeit niemals zustimmen und brach schließlich in dem Moment mit Lord
George, da dieser die westindische Dame heiratete.
Tatsächlich hielt die alte Gräfin ihre Reize für unvergänglich und liebte ihren Gatten immer noch. Sie lebte in Bath; ihr Besitz wurde in Ermangelung unmittelbarer Erben von ihren vornehmen Verwandten, den Tiptoffs, denen er zufallen sollte, sorgsam gepflegt. So groß waren Mr Barrys Geschicklichkeit und die Macht, die er weiterhin über diese Frau ausübte, dass er sie beinahe dazu bewogen hätte, wieder mit ihm zusammenzuleben, als sein und ihr Plan vom Auftauchen einer Person vereitelt wurde, die man seit mehreren Jahren für tot gehalten hatte.
Diese Person war kein anderer als Viscount Bullingdon, der sich zur Überraschung aller und besonders seiner Verwandten des Hauses Tiptoff plötzlich wieder einfand. Der junge Edelmann erschien in Bath, in der Hand einen Brief von Barry an Lord George, worin Ersterer drohte, Mylords Verbindung mit Lady Lyndon bloßzustellen – eine Verbindung, die, wie wir nicht zu betonen brauchen, die Ehre beider Beteiligten keinesfalls befleckte und nur zeigte, dass Lady Lyndon äußerst törichte Briefe zu schreiben pflegte, wie dies viele Ladys und auch Gentlemen immer schon taten. Weil er die Ehre
seiner Mutter in Frage gestellt hatte, griff Lord Bullingdon seinen Stiefvater an (der unter dem Namen Mr Jones in Bath lebte) und unterzog ihn in der Trinkhalle einer fürchterlichen Züchtigung.
Was Seine Lordschaft nach der Abreise erlebte, war höchst romantisch; wir fühlen uns jedoch nicht bemüßigt, diese Geschichte zu erzählen. Im Amerikanischen Krieg wurde er verwundet, als Gefallener gemeldet, geriet in Gefangenschaft und entkam. Die ihm versprochenen Überweisungen wurden nie ausgeführt; der Gedanke, so vernachlässigt zu werden, brach dem wilden, romantischen Jüngling beinahe das Herz, und er beschloss, zumindest für die Welt und seine Mutter, die ihn verleugnet hatte, tot zu bleiben. In den kanadischen Wäldern entdeckte er drei Jahre nach den geschilderten Ereignissen im «Gentleman’s Magazine» 464 unter der Überschrift «Tödlicher Unfall von Lord Viscount Castle-Lyndon» die Nachricht vom Tod seines Halbbruders, beschloss, nach England heimzukehren, konnte hier jedoch, wiewohl er sich zu erkennen gab, Lord Tiptoff nur mit größten Schwierigkeiten von der Echtheit seines Anspruchs überzeugen. Er wollte eben Mylady seiner Mutter in Bath einen Besuch abstatten,
als er, trotz der schlichten Verkleidung, die dieser Gentleman trug, das wohlbekannte Gesicht von Mr Barry Lyndon entdeckte und die Beleidigungen früherer Tage an dessen Person rächte.
Lady Lyndon war wütend, als sie von dem Treffen erfuhr, weigerte sich, ihren Sohn zu empfangen, und wollte sogleich in die Arme ihres angebeteten Barry eilen; dieser Gentleman war jedoch inzwischen fortgebracht worden, von Kerker zu Kerker, bis er den Händen von Mr Bendigo aus der Chancery Lane 465 übergeben wurde, eines Vertreters des Sheriffs von Middlesex, 466 aus dessen Haus er ins Fleet-Gefängnis ging. Der Sheriff und sein Vertreter, der Gefangene, ja selbst das Gefängnis sind heute nicht mehr.
Solange Lady Lyndon lebte, erfreute Barry sich seiner Rente und war im Gefängnis vielleicht glücklicher als irgendwann sonst in seinem Leben; als Mylady starb, stellte ihr Erbe sogleich die Rentenzahlung ein und widmete die Summe mildtätigen Werken, wo sie, wie er sagte, edlere Verwendung fänden als bei dem Schurken, der sie bisher genossen hatte. Beim Tod Seiner Lordschaft anno 1811 während des spanischen Feldzugs 467 fiel sein Besitz der Tiptoff-Familie
zu, und sein Titel wurde mit ihrem höheren Rang vereinigt; es scheint jedoch so zu sein, dass Marquis Tiptoff (Lord George erbte beim Hinscheiden seines Bruders den Titel) weder Mr Barrys Rente noch die Zahlung für mildtätige Werke, die der verblichene Lord verfügt hatte, erneuerte. Unter der achtsamen Verwaltung Seiner Lordschaft hat sich der Zustand des Anwesens erheblich verbessert. Die Bäume in Hackton Park sind alle um die vierzig Jahre alt, und
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