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Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...

Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...

Titel: Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manesse-Verlag
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Hochmut und Aufsässigkeit gehen bei ihm eine eigenartige Verbindung ein, gemäß der rohen Lebensphilosophie, die er in die Worte fasst: « Meine Maxime ist es, alles zu ertragen, sich mit Wasser zu begnügen, wenn man keinen Burgunder bekommen kann, und mit Fries, wenn man keinen Samt hat. Doch sind Burgunder und Samt das Beste, bien entendu , und nur ein Narr wird nicht nach dem Besten greifen, wenn es zu haben ist.» Über sein erstes Duell notiert er: « Ich verspürte, jung wie ich war, weder Schrecken noch Furcht, als ich meinen Feind vor mir liegen sah». Über seinen ersten Zweikampf im Krieg (er macht einen kleinen Fähnrich nieder, den bereits ein Schlag seines Zopfes umgebracht hätte) heißt es: «… in der Tasche des armen Fähnrichs fand ich eine Börse mit vierzehn Louisdor und eine Silberdose mit Zuckerbohnen; das erstere Geschenk war mir sehr genehm.» Wenn er dem Leutnant Fakenham Uniform, Geld und Patent entwendet, schreibt er: «Es war Betrug und
Raub, wenn Sie so wollen… ich will dies nicht verhehlen, aber die Not war so dringlich, dass ich es abermals täte.» Er schont sich nicht, offenbart seine großen und kleinen Schurkereien, entschuldigt sie nicht, schildert sie vielmehr mit einem nackten Realismus, der sich moralischer Bewertung zunehmend entzieht. Zuweilen gewinnt man den Eindruck, Thackeray schildere eine «darwinistische» Welt des Lebenskampfes, in der moralische Werte und hohe Gefühle nur eine dünne Tünche über menschlicher Selbstsucht und Grausamkeit sind. Als es um Betrug am Spieltisch geht, verkündet Barry, dass man sich wie alle anderen der Vorteile bedienen solle, die sich bieten: «Sie sind alle gleich.» Das ist eine radikale Anthropologie, gleichermaßen frei von Hochmut wie von Idealismus. Wenn Somerset Maugham schrieb, verglichen mit Fieldings Tom Jones wirke Barry Lyndon «affektiert, scheinheilig und, wie bei ihm nicht anders zu erwarten, unaufrichtig», dann gilt das sicher für viele seiner Prahlereien, aber manche seiner Äußerungen sind von Scheinheiligkeit völlig frei. Über sich selbst im Krieg in preußischen Diensten schreibt er: «Ich hatte mich in einem Zustand versetzt, wie er einer kämpfenden Bestie angemessen ist; wenn es ins Gefecht
ging, war ich wüst und glücklich; außerhalb des Schlachtfelds nahm ich an Vergnügungen mit, was ich bekommen konnte, und weder bei der Art des Vergnügens noch bei seiner Beschaffung war ich sonderlich wählerisch.» So schreibt keiner, der prahlen und sich ins beste Licht setzen will. Solche Bekenntnisse lassen durchscheinen, dass Thackeray seinen Helden aus härte rem Holz geschnitzt hat als die gewöhnlichen Romanhelden des viktorianischen Zeitalters. Er hat ihn mit Eigenschaften ausgestattet, die Barry immer wieder in die Lage versetzen, wenn nicht als Sprachrohr des Autors, dann als Medium seiner Kritik zu fungieren.
    Zum Beispiel der Kritik am Krieg. Als Barry sich, gerade siebzehn Jahre alt, als Freiwilliger der englischen Armee unversehens in den Sie benjährigen Krieg verschlagen sieht, hält er sich nicht lange bei den Gründen des Krieges auf; er weiß, dass die Fronten über Kreuz laufen, dass der preußische König, der sich als «protestantischer Held» feiern lässt, wenn nötig mit Papisten gegen protestantische Schweden und sächsische Protestanten kämpft, dass es also letztlich um Macht und Interessen geht. In der berühmten Schlacht von Minden, die noch heute von britischen Bataillonen mit Paraden gefeiert wird (die
Verluste der Franzosen betrugen über achttausend, die der Alliierten fast dreitausend Mann), drängt Barry sich nicht prahlerisch mit der Behauptung vor, er sei an vorderster Stelle dabei gewesen. «An diesem Tag sah ich außer meinem Obersten und ein paar Adjutanten, die im Pulverdampf vorüberritten, keinen von höherem Rang …» Hier nimmt der Bericht des notorischen Aufschneiders eine Wendung ins Nüchterne, wie ganz allgemein, wenn er den Krieg als großes Gemetzel beschreibt, in dem alle sittlichen Grundsätze verloren gehen: «Gentlemen haben gut reden vom ritterlichen Zeitalter; man bedenke jedoch, welch ausgehungerte Kerle sie anführen: Männer, die in Armut aufgewachsen sind, völlig unwissend, dazu angehalten, auf Bluttaten stolz zu sein – Männer, die als einzige Zerstreuungen Trunk, Gelage und Plünderung kennen.» Man fühlt sich an die Beschreibung der Schlacht von Waterloo erinnert, die Stendhal 1839 – fünf Jahre vor Thackeray – in der Kartause von Parma

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