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Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...

Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...

Titel: Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manesse-Verlag
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Gefangenen.
    Der Chevalier de Balibari gab jedem einen Frédéric. «Gentlemen», sagte er, «ich wünsche Ihnen einen guten Tag. Würden Sie bitte das Haus aufsuchen, das wir heute früh verlassen haben, und meinem Burschen dort ausrichten, er solle mein Gepäck zu den ‹Drei Kronen› nach Dresden schicken?» Dann verlangte der Chevalier frische Pferde und machte sich auf die Reise hin zur genannten Hauptstadt. Ich brauche Ihnen nicht zu erklären, dass ich der Chevalier war.
    «Vom Chevalier de Balibari
an Redmond Barry, Esquire,
Gentilhomme anglais , 213 Hôtel des
3 Couronnes, Dresden, Sachsen
     
    Mein Neffe Redmond,
dies empfängst Du aus sicherer Hand, keiner geringeren als der von Mr Lumpit von der englischen Gesandtschaft, der – wie alsbald ganz Berlin – mit unserer wundersamen Geschichte vertraut ist. Die anderen wissen erst die Hälfte; sie wissen, dass ein Deserteur in meinen Kleidern abgereist ist, und alle sind
voller Bewunderung ob Deiner Klugheit und Deines Muts.
    Ich bekenne, dass ich nach Deiner Abreise zwei Stunden lang durchaus bangend im Bett lag und erwog, ob es Seiner Majestät wohl gefallen werde, mich wegen des Streichs, dessen wir beide uns schuldig gemacht hatten, nach Spandau 214 zu schicken. Aber für diesen Fall hatte ich Vorkehrungen getroffen; ich hatte für meinen Dienstherrn, den österreichischen Gesandten, einen Schriftsatz verfasst, der die vollständige und wahrhaftige Geschichte enthielt, wie Du als Spitzel zu mir geschickt wurdest, wie Du Dich als mein enger Verwandter herausstelltest, wie Du selbst durch Entführung zum Dienst gepresst worden warst, und wie wir beide beschlossen haben, Deine Flucht zu bewerkstelligen. Das Gelächter hätte sich so sehr gegen den König gerichtet, dass er niemals gewagt haben würde, Hand an mich zu legen. Was hätte denn Monsieur de Voltaire 215 zu solch einem Akt der Tyrannei gesagt?
    Aber es war ein glückhafter Tag, und alles hat sich so gefügt, wie ich es mir gewünscht habe. Als ich zweieinhalb Stunden nach Deiner Abreise noch im Bett lag, kam Dein Exhauptmann Potzdorff herein. ‹Retmont!›, sagt er auf seine
gebieterische hochdeutsche Art, ‹bist du da?› Keine Antwort. ‹Der Schuft ist ausgegangen›, sagt er und stürmt auf die rote Kassette zu, in der ich meine Liebesbriefe, das Glasauge, das ich gelegentlich trage, meine Lieblingswürfel, mit denen ich in Prag die dreizehn Partien gewonnen habe, meine beiden Pariser Gebisse und meine anderen Dir bekannten Privatsachen aufbewahre.
    Zuerst versucht er es mit einem Bund Schlüssel, von denen aber keiner in das kleine englische Schloss passte. Dann zieht dieser Gentleman Meißel und Hammer aus der Tasche, macht sich ans Werk wie ein berufsmäßiger Einbrecher, und es gelingt ihm tatsächlich, meine Kassette zu öffnen!
    Nun war es an der Zeit, etwas zu unternehmen. Ich nähere mich ihm, bewaffnet mit einem riesigen Wasserkrug. Geräuschlos erreiche ich ihn gerade in dem Moment, als er die Kassette erbrochen hat, versetze ihm mit aller Kraft solch einen Hieb auf den Kopf, dass der Wasserkrug zu Atomen zerbricht, und schicke den Hauptmann zu Boden, wo er einmal schnauft und dann leblos liegen bleibt. Ich dachte, ich hätte ihn getötet.
    Dann läute ich alle Glocken im Haus und rufe,
fluche und schreie: ‹Diebe! Diebe! Herr Wirt! Mörder! Feuer!›, bis der ganze Haushalt polternd die Treppe heraufkommt. ‹Wo ist mein Diener?›, brülle ich. ‹Wer wagt es, mich am helllichten Tag zu bestehlen? Seht euch den Schurken an, den ich erwischt habe, wie er gerade meine Kassette aufbricht! Schickt nach der Polizei, schickt nach Seiner Exzellenz dem österreichischen Botschafter! Ganz Europa soll von dieser Schändlichkeit erfahren!›
    ‹Lieber Himmel!›, sagt der Wirt. ‹Wir haben Sie doch vor drei Stunden weggehen sehen!› ‹Mich!› , sage ich. ‹Also, Mann, ich habe den ganzen Morgen im Bett gelegen. Ich bin krank – habe Arzneien genommen –, ich habe das Haus heute Morgen nicht verlassen! Wo steckt dieser Schuft Ambrose? Aber halt! Wo sind meine Kleider, meine Perücke?› Ich stand nämlich in Morgenrock und Strümpfen vor ihnen und hatte die Schlafmütze auf.
    ‹Ich hab’s, ich hab’s!›, sagt eine kleine Kammerzofe. ‹Ambrose hat sich in den Kleidern von Euer Ehren davongemacht.›
    ‹Und mein Geld, mein Geld!›, sage ich. ‹Wo ist meine Börse mit den achtundvierzig Frédéric? Aber wir haben einen von den Schurken hier. Packen Sie ihn, meine Herren

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